Im Intranet anmelden

Wider die Entprofessionalisierung im Journalismus

Journalismus-Bashing ist angesagt. Genauer: Journalismuslehrer-Bashing. Der Onlinejournalismus kriegt auch sein Fett weg. Dabei könnte der Journalismus mit unter die Räder kommen.

Nach dem Shitstorm über Wolf Schneider und Paul Josef Raue hat Andreas Griess auf Carta.de das Thema allgemeiner gefasst: Lehrbücher im Journalismus seien generell zu meiden. Geschenkt: Aus einem Kochbuch lernt niemand kochen, aus einem Fahrlehrbuch lernt man nicht Auto fahren, aus einem Journalismuslehrbuch… Das wissen alle, die Journalismus lehren.

Es war ein Riesenfortschritt, als Walther von La Roche 1975 erstmals die Handwerksregeln des Journalismus in der Einführung in den praktischen Journalismus zu Papier brachte. Das Buch soll Abiturienten, die mehr über den Beruf wissen wollten, zur Orientierung dienen: Taugt das für mich? Tauge ich für den Journalismus?

Wie Walther von La Roche den Journalistenberuf beschrieb, trug wesentlich zur Professionalisierung des Berufsbilds bei. Inzwischen liegt das Buch in der 18. Auflage vor, es wird alle paar Jahre von Klaus Meier und mir ergänzt und aktualisiert. Die Hochschulausbildung im Journalismus steht im Vordergrund. Die Handwerksregeln, wie man Nachricht oder Kommentar schreibt, hat Walther von La Roche erweitert, die Medienspezifika von Presse, Radio, Fernsehen um den Onlinejournalismus und das crossmediale Handwerk erweitert.

La Roche selbst war im Journalismus zu Hause. Er lehrte Journalismus an Journalistenschulen und an der Universität Leipzig. Das war für ihn kein Widerspruch.

Praxis gegen Hochschulausbildung zu stellen, ist billig und falsch. Gute Journalistik-Studiengänge – als Beispiel sei Eichstätt genannt – verknüpfen wissenschaftliche Reflexion mit journalistischer Praxis. Weniger gute sparen sich eins davon – zum Schaden der Studierenden. Andreas Griess verteidigt dem gegenüber auf carta.de das Journalistik-Studium: „Eine Hochschule kann sehr wohl ein Ort für gute, praxisorientierte Journalismus-Ausbildung sein“.

Das Fachmagazin „Journalist“ des Deutschen Journalistenverbands ist anderer Ansicht. Ein aktueller Beitrag im „Journalist“ 2/2012 trägt gerade den Onlinejournalismus zu Grabe. Ein Absolvent des verdienstvollen Studiengangs „Onlinejournalismus“ an der Hochschule Darmstadt schreibt, eigentlich brauche es solche speziellen Ausbildungen an Hochschulen gar nicht. Er zitiert einen Chefredakteur mit dem schönen Satz: „Das bringe ich jedem in einer Woche bei“.

Dem Beitrag liegt ein Missverständnis zugrunde: Wenn man alles, was sich online abspielt, als Onlinejournalismus betitelt, lösen sich sowohl Onlinejournalismus als auch der Journalismus insgesamt in Luft auf.

Ein Satz wie „Das bringe ich jedem in einer Woche bei“ freut die Medienkonzerne: Mies ausgebildete, schnell angelernte Onlinejournalisten eignen sich als schnelle Texteschubser, übernehmen vielleicht unhinterfragt Pressemitteilungen und sind überdies billige Arbeitskräfte. Wenn sie dabei noch gut sind: um so besser. Wer eine Journalistenschule absolviert hat, ist zwar ebenso schnell, liefert dabei auch noch Qualität, diskutiert über das Verhältnis von Journalismus und PR und ist dabei leider etwas teurer.

So einfach sollte man es der Arbeitgeberseite nicht machen. Die große Dame der Journalistenausbildung in Deutschland, Ulrike Kaiser, fordert konsequenterweise eine neue Debatte über Qualität in der Journalistenausbildung. Ich ergänze um die qualitätvolle Ausbildung im Onlinejournalismus.

Die unvorstellbar öde Debatte, ob Blogger wirklich Journalisten… überspringen wir an dieser Stelle. Aber nein: Die Mediatheken von ARD und ZDF sind keine Archive des Onlinejournalismus, sondern für klassischen Fernsehjournalismus. E-Papers und PDFs sind Printprodukte, die auf dem Vertriebsweg Internet zum Leser kommen. Eine Tagesschau-App hingegen ist Onlinejournalismus, wie er sein sollte: Die App nutzt alle Möglichkeiten des Mediums, medienspezifisch. Das erklärt ein wenig die Verbitterung, mit der sie bekämpft wird.

Welche Qualifikation brauchen Onlinejournalisten? 1. Eine journalistische natürlich, 2. eine medienspezifische zudem. Wer das bestreitet, leistet der Entprofessionalisierung im Onlinejournalismus Vorschub, und im Journalismus gleich mit.

1 Gedanke zu „Wider die Entprofessionalisierung im Journalismus“

  1. Auch die Grundzüge des Semmelverkaufens bringt man einem durchschnittlich begabten Menschen innehrhalb einer Woche bei. Deshalb auf die Ausbildung zum Bäcker zu verzichten wäre falsch. Dann nämlich würde in der Bäckerei das geschehen, was im Journalismus seit Jahren zu beobachten ist: Billigkräfte ohne Ahnung von Zusammenhängen, ohne das Wissen um die Hintergründe, die Ethik, die Verantwortung um die Herstellung und den Verkauf von Lebensmitteln, ohne Ahnung von Kundenkommunikation würden das verkaufen, was verantwortungslose Foodfabriken zur Gewinnmaximierung auf den Markt werfen. Kommt das bekannt vor? Kann es sein, dass dies beim Semmelverkauf gerade eben geschieht? Und nun die Frage: wollen wir das im Journalismus? Will ich das als Leser? Will ich als Leser der Konsument einer Ware sein, die unter der Maxime der Gewinnmaximierung billig hergestellt und verantwortungslos unters Volk gestreut wird?
    Nein. Und nun die Frage: Wieso braucht es dann Lehrbücher für die Ausbildung. Antwort: Weil es Menschen gibt, die mehr von einer Ausbildung fordern, als die pure Darstellung einer Momentsituation. Lehrbücher sind nicht die endgültige Wahrheit – aber sie können dazu führen. In einem Buch kann nicht die Welt erklärt werden, aber in einer Bibliothek schon.
    Wer glaubt ein Lehrbuch sei überflüssig, nur weil es nach einer gewissen Zeit in Teilen veraltet ist, der sollte auch keinen Goethe mehr lesen. Der ist auch schon nicht mehr up to date. Aber seine Werke geben mir die Chance eine eigene Meinung aufzubauen – die nicht von der Billigvariante getragen ist: "Heute ist es eben so – und was gestern war ist vorbei." So geschieht Geschichtsfälschung. Und so verliert man die Wurzeln zur Verantwortlichkeit seines Tuns.
    Journalismus ist eine Lebenseinstellung. Lehrbücher geben die Chance, diese Lebenseinstellung für sich selbst zu finden und zu entwickeln. Gisela Goblirsch

Kommentare sind geschlossen.