Preisträger in der Kategorie Leben 2018
Wofür erhielten Sie den Alternativen Medienpreis?
Ich habe 2018 den Preis in der Kategorie „Leben“ für meine Reportage „Plötzlich ein Genie“ bekommen. In dem Text aus dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ ging es um einen Hochbegabten, der erst mit Ende 30 durch einen Test der Agentur für Arbeit von seinem überdurchschnittlichen IQ erfahren hat. Und der seitdem mit seinen verpassten Chancen hadert. Ich habe ihn zu einem Spieleabend des Hochbegabtenvereins „Mensa“ begleitet, wo er mit anderen Genies nun alle zwei Wochen Karten spielt.
Wie ging es nach der Auszeichnung zu Ihrem Projekt oder Beitrag weiter?
Nach der Auszeichnung habe ich viel Lob von Kolleg*innen erfahren, innerhalb wie außerhalb unserer Redaktion. Nach der Preisverleihung haben wir den Text auch nochmal auf unserer Website hervorgehoben.
Daraufhin habe ich noch einmal viele Lesereaktionen bekommen, eigentlich alle sehr positiv. Auch der obengenannte Hochbegabtenverein „Mensa“ teilte den Text auf seiner Facebookseite – allerdings mit weniger wohlwollender Intention. Mir wurde vorgeworfen, ich würde das Bild von Hochbegabten verzerren, weil in meiner Geschichte noch ein weiterer Protagonist vorkommt, der eher mit seiner Begabung hadert, als dass er sie genießt – ich würde also Hochbegabung eher als Last darstellen, was nicht stimmen würde.
Ich kommentierte unter dem Post meine Mailadresse und bat alle, die mit mir diskutieren wollten, mir zu schreiben. Es waren viele. So entbrannten in den folgenden Wochen sehr lange Mailkonversationen mit Hochbegabten – keine einfache Aufgabe. Ich wurde mir aber mit allen einig und habe weitere spannende Blickwinkel auf das Thema Hochbegabung durch die Zuschriften bekommen.
Welche Bedeutung hat der Alternative Medienpreis für Sie?
Der Alternative Medienpreis hat zweierlei Bedeutung für mich: Einerseits war es ganz persönlich wahnsinnig toll, diese Auszeichnung zu bekommen. Journalist*innenpreise sind nach der Relotius-Affäre in die Kritik geraten, ich kann das teilweise verstehen. Gleichzeitig ist so eine Auszeichnung für einen jungen Reporter eine Bestätigung, dass die eigene Arbeit gut ist, dass Menschen sie zu würdigen wissen, im wahrsten Sinne des Wortes. Sie ist ein Lob, das im Alltag manchmal fehlt. Deswegen erhöht ein Preis natürlich nicht nur die Jobchancen, er ist vielmehr auch eine Motivation, so weiterzumachen, weiterhin viel Mühe und Kreativität in die eigene Berichterstattung zu stecken, stellvertretend für Leser gesellschaftliche Barrieren zu überwinden.
Gleichzeitig gefällt mir gerade das Konzept des „Alternativen Medienpreises“ sehr gut, weil ich selbst immer versuche, neue, kreative, ungewöhnliche Zugänge zu Geschichten zu finden. Ich will Themen nicht nach Schema denken, ich glaube fest daran, dass man Leser*innen eine Sache nur nahebringen kann, wenn man sie mit einem interesannten Ansatz betrachtet. Und gerade das hat sich der „Alternative Medienpreis“ ja zum Grundsatz gemacht: nicht einfach von vorne draufgucken, immer auch eine andere Perspektive wählen, um die Wirklichkeit so vollständig wie möglich zu erzählen.