Der neue Unverpackt-Laden Servus Resi bietet eine weitere Möglichkeit, in München plastikfrei einzukaufen. Die Gründerin und Inhaberin Chrissi Holzmann erzählt von ihrer Idee, Konzept und Alltag im nachhaltig handelnden Resi.

Dingdong, dingdong, dingdong. Ein helles klares Klingeln durchzieht penetrant den Raum, will einfach nicht aufhören. Was ist da los? Kunden schauen genervt hinter Regalen hervor. Sie blicken verwundert in Richtung der Eingangstüre. Dingdong, dingdong. Eine ältere Dame steht auf dem Klingel-Kontakt der Türschwelle und schaut unentschlossen in den Unverpackt-Laden. Die Tür steht offen. „Willkommen“, ruft Chrissi Holzmann, die Inhaberin, und eilt aus dem hinteren Teil des großen lichtdurchfluteten Raumes nach vorne. „Kann ich Ihnen helfen?“

Chrissi Holzmann, die Gründerin und Inhaberin, steht in ihrem Unverpackt-Ladens Servus Resi

Chrissi Holzmann ist die Inhaberin des Unverpackt-Ladens Servus Resi

Autolärm erfüllt die Luft des Ladens. Pop-Musik spielt im Hintergrund. An einer grün gestrichenen Wand hängen zahlreiche längliche Glasbehälter mit Dinkel, Emmer, Cornflakes. Kunden rascheln mit braunen Papiertüten. Gefäße werden geöffnet. Gewürze, Nüsse, Schokokugeln, Nudel und Trockenfrüchte fallen in mitgebrachte Gläser oder Stoffbeutel. Servus Resi – natürlich unverpackt. Plastik findet man hier nicht.

Bitte eintreten – ins plastikfreie Paradies

27.03.2020: Mitten in der Corona-Krisen-Zeit eröffnet der Unverpackt-Laden – der erste in Obersendling. Zwischen Kosmetikstudio und Optikergeschäft sticht das Resi mit seinem rosafarbenen, runden, schwungvollen Logo aus der Geschäftszeile an der Kistlerhofstraße im Münchner Süden heraus. Vor der Tür steht ein brauner Garten-Klapptisch, auf dem allerlei Lebensmittel drapiert sind: Spaghetti in schmalen hohen Gläsern, Olivenöl, geschützt in braunem Glas, Haferflocken im Schraubglas, orangefarbenen Linsen im Bügelglas verpackt und ein kleines Fläschchen mit Rosmarinnadeln, verschlossen mit einem Korkstopfen, damit das Aroma erhalten bleibt. In großer weißer Schrift stehen auf die Schaufensterscheibe die grundlegende Werte des Resi: #nachhaltig, #regional, #bewusst, #natürlich, #nebenan, #plastikfrei.

Info
2014 eröffnete Deutschlands erster verpackungsfreier Laden in Kiel. Im gleichen Jahr folgten weitere Läden in München, Berlin und Bonn. Im Mai 2018 gab es – vor allem in größeren Städten – rund 60 dieser Läden in Deutschland. Bis Mai 2019 ist die Anzahl der verpackungsfreien Läden in Deutschland auf über einhundert angestiegen. Seit 2018 gibt es bei der Bio Company mehrere Filialen mit einer Unverpacktstation. Im Juli 2019 begann Tegut damit, in einer Filiale in Fulda 144 Lebensmittel verpackungsfrei anzubieten. Einen Monat später folgte Edeka mit einer Abteilung für verpackungsfreie Artikel in einer Filiale in Ruhpolding.

Kann ein Unverpackt-Laden ein nachhaltiger Lebenstraum sein?

„Das Resi ist meine Herzensangelegenheit.“ Die blauen Augen von Chrissi Holzmann strahlen. Sie trägt einen lachsfarbenen Mundschutz, die dunkelblonden Haare sind hochgesteckt. Eine weiße Schürze – mit dem Resi-Logo –  hat sie locker um den Bauch gebunden. Voller Energie breitet die zierliche Frau ihre Hände aus, als wolle sie die ganze Welt umarmen. „Keiner von den deutschlandweiten Unverpackt-Läden macht das nur um Geld zu verdienen. Man muss hier sehr viel Liebe und Energie reinstecken. Die kriegt man aber auch wieder zurück. Der Unverpackt-Laden ist mein Lebenstraum.

Der Unverpackt-Laden Servus Resi: Bitte eintreten

Regale mit Shampoo, Seife, Spül- und Waschmittel. Ein gut ausgewähltes Sortiment gibt es im Servus Resi

Ein gut ausgewähltes Sortiment bietet das Servus Resi

Vor der Eingangstüre steht ein Tisch auf dem allerlei Gläser mit Lebensmitteln drapiert sind

Der Eingangsbereich des Ladens macht neugierig

„Hygiene hat oberste Priorität in meinem Unverpackt-Laden“

Sehr sauber sieht das Resi aus. Und Chrissi sorgt dafür, dass es auch so bleibt. Mit schwarzen Handschuhen berührt sie die blank polierten, silbrig glänzenden Abfüll-Schaufeln, wischt vorsichtig die Ablageflächen mit natürlichem Desinfektionsmittel ab. „Hygiene hat oberste Priorität in meinem Laden“, erklärt sie, „nicht erst seit Corona.“ Die Lebensmittel müssen luftdicht verpackt sein, damit das natürliche Aroma erhalten bleibt und kein Ungeziefer Platz findet.

Sie hat viel zu tun: an den Wänden hängen zahlreiche Behälter mit Mahlwerk: So können die Getreidekörner, Kaffee und Pfeffer frisch gemahlen in die mitgebrachten Gläser fallen. In luftdichtverschlossenen Edelstahlbehältern, die geschickt in eine hölzerne Arbeitsplatte eingelassen wurden, verstecken sich Nüsse, Beeren, Trockenfrüchte. In der Mitte sind auf der Theke drei Paletten mit Bio-Eiern aus der Region gestapelt. Gleich daneben steht ein aus Korb geflochtener Bienenstock mit Bio-Honig aus München. Im hinteren, lichtgeschützten Teil des Ladens, kann man aus Containern Shampoo, Seife, Spül- und Waschmittel abfüllen. Auch Bambus-Zahnbürsten und Naturkosmetik bietet das Servus Resi an.

Der Unverpackt-Laden

Ein großes, rundes Schild mit dem Servus Resi-Logo hängt vor dem Laden

Der Unverpackt-Laden ist nicht zu übersehen

Chrissi Holzmann beschäftigt zwei Mitarbeiterinnen in ihrem Unverpackt-Laden. Es fällt viel Lagerarbeit an. Jedes Produkt wird in Großgebinden geliefert, in 25-Kilo-Säcken: Reis, Couscous, Haferflocken, Rosmarin, et cetera. Diese Papiersäcke werden in den Keller geräumt. Bei Bedarf wird der Inhalt in große luftdichte Edelstahl- oder Weißblechbehälter umgefüllt. „Wenn oben die Haferflocken ausgehen, werden sie unten aufgefüllt und nach oben gebracht. Eine schwere Arbeit: „ Aber man spart sich den Beitrag zum Fitness-Center“, sagt sie lachend.
Im Gegensatz zu den Supermarkt-Giganten und Discountern setzt Chrissi Holzmann bewusst auf besonders sorgfältig ausgewählte, gesunde Produkte, soweit möglich aus regionalem und biologischem Anbau. Ergänzend zum normalen Verkauf bietet sie eine individuelle Beratung zu gesunder Ernährung, speziellen Produkten und Gerichten an. Das Sortiment umfasst Flocken, Nüsse, Trockenfrüchte, Nudeln, hochwertiges Olivenöl, Bio-Eier, Kartoffeln, Äpfel, Schokolade, feine Marmelade, Dips, Energy Bites, Sirup, Joghurt, Milchprodukte, Shampoo, Seife und Haushaltswaren.

Aber wie entsteht die Idee, einen plastikfreien Laden zu eröffnen?

„Vor 5 Jahren habe ich mir erste Gedanken zu Mikroplastik, Plastikmüll und Verpackung gemacht, erinnert sich Chrissi Holzmann. „Wie kann ich Müll vermeiden? Wo kann ich Schrauben drehen, um meinen Lebensstil nachhaltig zu ändern. Wo fange ich an?“ Das Badezimmer konnte Chrissi am schnellsten plastikfrei gestalten. Schwieriger war es in einer Großstadt Lebensmittel umweltgerecht und nachhaltig einzukaufen.

Bis Anfang dieses Jahres gab es nur zwei Unverpackt-Läden in München, die aber alle in der Innenstadt liegen, also zu weit entfernt. „Wenn man so wie ich im Münchner Süden wohnt, ist das mit viel Aufwand verbunden. Einkaufen mit dem Fahrrad ist zeitaufwendig und mit den Öffentlichen hat man zu viel zu schleppen. Ich bin an meine Grenzen gestoßen und musste auch in Plastik verpackte Sachen kaufen“, bekennt sie. „Ich glaube, das ist das Problem vieler Leute. Sie würden gerne nachhaltig leben und wollen auch umstellen, aber es muss machbar sein. Die nachhaltigen Einkaufsstätten müssen in der Nähe liegen“, erklärt sie.

„Ja, und dann ist das Resi entstanden.“

Chrissi Holzmann hat eine weiße Schürze umgebunden, auf dem das Servus Resi-Logo aufgedruckt ist

Servus Resi steht für Umweltbewusstsein und Qualität

Chrissi Holzmann denkt zurück: „Es war mir eine Herzensangelegenheit.“ Sie legt beide Hände ans Herz. „Vor circa einem Jahr habe ich meine Anstellung als Betriebsleiterin in einer Sport- und Freizeitanlage gekündigt. Nicht wegen eines Streits, sondern weil ich das Gefühl hatte, nach zehn Jahren brauche ich etwas Neues. Ich bin in mich gegangen. Ich habe mir die Zeit genommen und überlegt, was würde mir am allermeisten Spaß machen? Was würde mir selber entsprechen? Womit würde ich morgens glücklich beginnen und abends glücklich aufhören? Ja, und dann ist das Resi entstanden.“ Sie zieht Schultern und Arme hoch und lacht glücklich.

„Ich wusste, es soll ein nachhaltiger Laden werden, aber welcher Name ist passend?“ Nach unzähligen Diskussionen mit Freunden und Verwandten fragte mich plötzlich mein Vater: „Wusstest du eigentlich, dass deine Urgroßmutter Theresia in dritter Generation einen Tante-Emma-Laden im Allgäu hatte?“ „Als ich das gehört habe, löste sich etwas in mir und ich musste unwillkürlich weinen. Ich bekam Gänsehaut am ganzen Körper und hatte das Gefühl, als würden die Teilchen an den richtigen Platz fallen. Das war ein ganz romantisches Gefühl.“ Chrissi Holzmann lächelt.

Fast alles bio
Der Unverpackt-Laden Servus Resi ist bio-zertifiziert. Das heißt, bis auf wenige Ausnahmen werden nur Bioprodukte verkauft. Andere Produkte stammen von Lieferanten, die fair handeln. Zum Beispiel stammt die Schokolade von fairafric – das Büro ist auch hier in Obersendling. Fairafric lässt den Kakao in Ghana ernten und produziert auch vor Ort die Schokolade. Der Produzent hat ein Auge darauf, dass von der Wertschöpfung auch etwas in Afrika bleibt. Die Bauern dort verdienen am Produktionsprozess mit und werden somit nicht ausgebeutet. „Bei Schokolade und Kaffee überwiegt für mich das Fair-Trade-Argument vor dem bio-zertifiziert, das übrigens mit Kosten verbunden ist“, erklärt Chrissi Holzmann. Ansonsten wird die Ware meist von regionalen Großhändlern geliefert, zum Beispiel vom bayerischen Ökoring oder von Bananeira aus Nürnberg. Dieser Lieferant hat sich auf Unverpackt-Läden spezialisiert. Viele Produkte werden in Pfand geliefert, zum Beispiel Bodylotion und Shampoo zum Abfüllen. „Sie kommen in acht Liter Pfandeimern. Sobald sie leer sind schicke ich sie zurück. Bananeira befüllt sie dann wieder neu.“

Es gibt Bio-Eier und Bio-Honig aus München

Chrissi Holzmann bezieht viele Lebensmittel direkt von umliegenden Höfen, um die Lieferwege so kurz wie möglich zu halten und um die Region zu stärken. Der Billesberger Bio-Bauernhof aus Moosinning liefert die Nudeln und Kartoffeln. Die Bio-Eier sind vom Hasenberghof, der die Ware über den Ökoring vertreibt. Die Sirupsorten und Marmeladen werden in einer kleinen Manufaktur mit dem Namen Marmeladenherz in Markt Schwaben produziert. Den Quinoa-Bauern und den Münchner Imker kennt Chrissi Holzmann persönlich. Die Kaffeerösterei in Glonn röstet den Kaffee regional. Bei Kosmetika sind die Lieferanten hauptsächlich kleine Manufakturen aus Deutschland, die genau so viel Wert auf Mensch und Natur legen, wie Chrissi Holzmann.

Liegen eigentlich die Wurzeln für diesen nachhaltigen Schritt in der Kindheit?

Edelstahlbehälter mit Cashewnüssen

Die unverpackten Bio-Nüsse des Servus Resi haben noch den ursprünglichen Eigengeschmack

„Ich bin in München geboren und aufgewachsen“, erläutert Chrissi Holzmann. „Als Kind war ich am Wochenende oft bei meinen Großeltern zu Besuch, habe zusammen mit der Oma den Hühnern die Eier unter dem Hintern weggeklaut und die Schweine gefüttert. Mit meinem Opa bin ich auf dem Trecker gesessen und wir haben Kartoffeln vom Feld geholt.“ Sie denkt zurück: „Das war für mich als Kind das Höchste. Das Landleben hat mich geprägt.“

Wenn ich hier im Laden Bio-Haselnüsse esse, erinnert mich der Geschmack an die Haselnüsse, die ich bei meinem Opa direkt vom Strauch weggegessen habe. Dieser Geschmack ist mittlerweile gar nicht selbstverständlich: oft sind die Lebensmittel industriell verarbeitet und lagern schon lange. Oder sie sind unter Schutzatmosphäre abgepackt, so dass der ursprüngliche, natürliche Geschmack verloren geht.“ Chrissi greift in ein Glas mit Haselnüssen, holt sich zwei Stück heraus, beißt knackend darauf und zermahlt sie genüsslich mit ihren Zähnen: „So müssen Haselnüsse schmecken.“

Und was sagen die Kunden zum neuen Unverpackt-Laden?

Eine Kundin bezahlt gekaufte Ware im Servus Resi

Kunden schätzen die individuelle Beratung im Resi

Dingdong. Eine Frau, Mitte vierzig, sucht nach einer Gesichtscreme aus natürlichen Pflegebestandteilen. „Ich finde das hier eine ganz schöne Sache“, meint sie. „Der Aspekt Nachhaltigkeit hat bei mir mittlerweile oberste Priorität. Ich achte bewusst darauf, was und wie ich einkaufe. Endlich hat in diesem Wohngebiet ein Geschäft eröffnet, dass mir einen plastikfreien Einkauf ermöglicht. Ich muss nur um die Ecke gehen.“

Die reduzierte Produktauswahl ist toll. Da weiß ich als Kunde, dass ich hier ausschließlich sorgfältig ausgewählte Ware bekomme.“ Chrissi wirft ein: „Wenn du nur 45 Quadratmeter zur Verfügung hast, überlegst du dir ganz genau, welche Cremes du zum Beispiel anbietest.“ Ein schlanker junger Mann mit Brille und Jutetasche, der an der Kasse wartet, ruft dazwischen: „Und gut beraten wird man auch.“ Und wirklich: Chrissi Holzmann wendet sich jedem eintretenden Kunden zu und erkundigt sich freundlich nach dessen Wünschen.

Bewusstsein schärfen
Stammkunden kommen alle ein bis zwei Wochen, um ihre Vorräte aufzufüllen, aber auch Laufkundschaft, Neugierige und Interessierte finden sich hier ein. „Nicht jeder kauft etwas“, gibt sie offen zu. „Das ist auch nicht mein Anspruch.“ Chrissi Holzmann geht es darum, das Bewusstsein jedes Einzelnen zu schärfen, dem täglichen Verpackungswahnsinn entgegenzuwirken. In Schulen, Kitas und Vereinen bietet sie Vorträge über Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung an. Sie gibt Do-It-Yourself-Tipps: Was kann man wodurch ersetzen? Wie kann man sein eigenes Deo herstellen? Welche Alternativen habe ich bei Wasch- und Spülmitteln? Bewusste Kaufentscheidungen bei jedem Einzelnen hervorzurufen, ist ihr nachhaltiges Ziel.

Und gibt es auch emotionale Momente im Servus Resi?

Chrissi Holzmann hält eine Kinderzeichnung hoch, die sie geschenkt bekommen hat

Die Dankbarkeit der Kunden zeigt sich oft in unerwarteten Geschenken

Dingdong, dingdong. Der helle klare Ton weckt erneut die Aufmerksamkeit von Chrissi Holzmann. Eine Mutter kommt mit ihrem etwa sechsjährigen Sohn in den Laden. Der Junge drückt Chrissi einen zusammengefalteten Brief in die Hand. Raschelnd faltet sie das Papier auseinander. „Das bist du am Strand“, plappert der Kleine. Gerührt betrachtet Chrissi die Kinderzeichnung. Sie strahlt jetzt genauso wie die gelbe Sonne mit dem rot-gelb gestreiften Herz, dass in vielen Strichen auf das Papier gemalt worden ist.

Ihre Augen werden feucht: „Es gibt Momente, da wird alles um dich herum unwichtig. Das ist so ein Feedback, dass mich in meiner Wahl diesen Weg nachhaltig zu gehen, bestätigt.“ Sie schenkt dem Jungen ein Glas seiner geliebten Milchcremekugeln, das er freudig und mit glänzenden Augen, entgegennimmt. Die Mutter erzählt, dass Michael zu Hause mit seinem Kaufladen spielt, den er Resi nennt. Dort „verkauft“ er Schokokugeln, die er aus Knete nachgebastelt hat, – natürlich unverpackt.