Ökologischer Hopfenanbau: Wie gelingt der Wandel in Bayern?

Ein Interview mit Walter König

Walter König ist einer der Geschäftsführer des Bayerischen Brauerbundes. Als Geschäftsführer des Hopfenforschungs-Instituts Hüll in der Hallertau, dem Mekka rund um den Hopfen, geht er seiner Passion für Hopfen nach. Er vertritt dabei die Interessen beider Seiten, die der Erzeuger und die der Abnehmer. Die meisten Hopfenproduzenten bauen ihren Hopfen noch immer konventionell an.

Walter König im Gewächshaus des Hopfenforschungszentrums in Hüll
Walter König im Gewächshaus des Hopfenforschungszentrums in Hüll Foto: Daniela Christ

Wie entwickelt sich das Interesse an ökologisch angebautem Hopfen bei den Brauereien?

Die Nachfrage nach ökologisch erzeugtem Hopfen ist in den letzten Jahren leicht gestiegen. Bezogen auf die Gesamthopfenerzeugung in Deutschland allerdings auf einem kleinen prozentualen Niveau.

Aber wir haben in den letzten Jahren Hopfenanbaubetriebe dazugewonnen, die auf Ökohopfen umgestellt haben. Jetzt sind es bundesweit elf Produzenten und vor drei Jahren waren es nur acht. Dadurch ist auch die Anbaufläche angewachsen.

Die Landwirte gehen dabei auch nicht in Vorleistung, sondern es gibt schon auch eine Nachfrage, die mit diesem Flächenzuwachs im Markt mitläuft.

Würden mehr Hopfenpflanzer auf Öko-Anbau umsteigen, wenn die Nachfrage größer wäre?

Ja, aber es nützt nichts, wenn man ökologisch produziert und die Nachfrage zu gering ist. Viele Landwirte mussten mangels Nachfrage ihre Bioerzeugnisse zum Preis von konventionellen Produkten oder sogar darunter verkaufen.

Auch Biogetreide kann oft nicht als solches vermarktet werden, obwohl die Politik meint, die Anbaufläche für Bioerzeugnisse bis ins Jahr 2030 auf 15 bis 20 Prozent hochprügeln zu müssen. Das ist der Umwelt zuliebe alles schön und gut. Es ist aber auch ein Eingriff in den Markt, der nie gut ist, wenn er politisch ist.

Daraus resultiert entweder eine Überproduktion oder eine Übernachfrage im Markt, bei der die Produktion nicht hinterherkommt. Wenn die Politik alles in die Wege leitet, damit mehr Bioanbaufläche entsteht, klappt das schon, aber der Markt dafür ist nicht da.

Warum ist die Nachfrage nach Öko-Hopfen so gering?

Warum soll ich als Verbraucher in Bayern im Getränkemarkt um die Ecke ein Biobier kaufen, das nicht reiner, geschmacklich nicht besser und nicht anders hergestellt ist als regionales, konventionell hergestelltes Bier?

Getränkemarkt in München- Neuhausen
Getränkemarkt in München- Neuhausen Foto: Daniela Christ

Der einzige Grund, sich für ein Biobier zu entscheiden, ist: Ich kaufe mit Biobier zwar kein gesünderes Produkt, aber ich unterstütze damit die ökologisch arbeitende landwirtschaftliche Produktion.

Sind die Inhaltsstoffe eines Biobieres nicht besser als die eines konventionell produzierten Bieres?

Nein. Die Analytik ist heute so genau, dass in jedem Biobier die gleichen Mengen an Cadmium, Blei und Plutonium gefunden werden wie in konventionellen Bieren. Das hängt mit den Böden zusammen, auf denen der Hopfen wächst, unabhängig davon, wie er angebaut wird.

Diese Spurenelemente aus den Ackerböden stecken genauso in einer Bio-Gurke oder Bio-Kartoffel. Hinzu kommt, dass Biobier in der Erzeugung teurer ist, weil die Biorohstoffe teurer sind. Somit ist Biobier ist auch im Verkauf teurer.

Warum sollte der Endverbraucher das Doppelte für ein Biobier bezahlen? Da muss einem die Umwelt schon sehr viel wert sein. Für Leute, die einfach nur ein gutes Bier kaufen wollen, ist das kein Grund, mehr zu bezahlen. Deshalb ist die Nachfrage nach Biobier klein, wächst aber auf sehr geringem Niveau.

Wie können Sie mit Ihrem Institut ökologischen Hopfenanbau fördern?

Den Markt für ökologischen Hopfenanbau fördern wir nicht, er muss sich selbst entwickeln. Wir tragen aber dazu bei, indem wir die Ökohopfenbauern europaweit von Hüll aus zu ihren Anbautechniken beraten.

Junge Hopfenpflanzen im Gewächshaus des Forschungszentrums in Hüll
Junge Hopfenpflanzen im Gewächshaus des Forschungszentrums in Hüll Foto: Daniela Christ

Zwei Mal im Jahr treffen sich daher Bauern aus dem Elsass, Österreich, Slowenien, Tschechien und den deutschen Anbaugebieten in unserem Forschungszentrum in Hüll. Wir schaffen damit ein Netzwerk unter den Biobauern, damit sie ihre Erfahrungen auszutauschen können und Neues aus der Forschung auf die Höfe mitnehmen.

Wichtig ist: Wir haben eine eigene Forschungs-Abteilung. Dr. Florian Weihrauch ist Biologe. Er forscht seit 30 Jahren am Hopfenforschungszentrum zum Nützlings-Einsatz und an biologischen oder natürlichen Methoden beim Pflanzenschutz. Diese Forschungsergebnisse gibt er bei diesen Treffen an die Landwirte weiter.

Ein Beispiel ist das Ausbringen von Raubmilben. Sie schützen den Hopfen auf natürliche Weise vor seinem größten Schädling, der Spinnmilbe. Nach fünf Jahren intensiver Forschung und Aufbauarbeit haben wir letztes Jahr in Zusammenarbeit mit der Interessengemeinschaft Qualitätshopfen IGN einen Biodiversitätslehrpfad eröffnet.

Damit wollen wir den Hopfenpflanzern in der Hallertau die Hintergründe erklären und zum Wissenstransfer beitragen. Weil viele chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel verboten werden, müssen wir biologische Verfahren etablieren.

Wie kann man Brauereien dazu motivieren, Hopfensorten in die Rezepturen aufzunehmen, die mit weniger Pflanzenschutz auskommen?

Nach dem Craftbier-Boom in Amerika vor etwa zehn Jahren wollten auch deutsche Brauereien diesen Trend aufgreifen. Im Hopfenforschungszentrum Hüll hatten wir bereits zehn Jahre zuvor Pflanzen selektiert, die besondere Aromen in sich tragen.

2014 brachten wir die Hopfensorten Mandarina Bavaria, Hüll Melon, Hallertau Blanc und Polaris auf den Markt, um heimischen Hopfen bei der Craftbier-Produktion einzusetzen. Diese Sorten sind vielseitig. Man kann damit je nach Brauverfahren nicht nur Craftbiere, sondern auch ein gutes Helles brauen.

Bei der Vermarktung hat man damals aus heutiger Sicht den Fehler gemacht, den Hopfen so zu taufen, dass die geschmackliche Ausrichtung bereits im Namen steckt. Wie bei der Sorte Mandarina Bavaria, die bei der Kalthopfung süße Zitrusfrucht-Noten von Mandarinen- und Orangenschalen mitbringt.

Eine Brauerei, die ein tolles Helles oder ein gutes Pils braut, will nicht unbedingt einen Hopfen verwenden, der durch seinen Namen darauf hinweist, dass er für Helles untypische Mandarinen- oder Zitrusaromen enthält. Man hat nicht bedacht, dass diese Sorten damit den Stempel Craftbier tragen und deshalb beim Brauen bewährter Biersorten für die Brauereien oft nicht in Frage kamen.

Diesen Fehler haben wir bei neuen Hopfensorten wie Ariana und Tango nicht gemacht. Durch die neutrale Namensgebung kann man beide Sorten vielseitiger einsetzen. Das gelingt vor allem bei Ariana sehr gut.

Die Sorte Tango kann man sowohl für Helles wie auch für Craftbiere verwenden. Sie bringt nur dann im Nachgang eine frische Fruchtnote mit, wenn man diese während des Brauvorgangs herausarbeitet. Beide Sorten sind klimatolerant. Sie liefern bei unterschiedlichsten Klimabedingungen hohe Erträge und sind sehr resistent gegen Krankheiten.

Allein in Bayern gibt es 640 Brauereien, von denen fast jede Hellbiere im Sortiment hat, die sich geschmacklich nur leicht unterscheiden. Die Brauereien sind, was das Hopfenaroma anbelangt, wenig experimentierfreudig. Sie haben Angst, der Geschmack des Bieres könnte sich verändern.

Die Substitution einer alten Landsorte in ein bestehendes Rezept ist deshalb mit sehr viel Arbeit verbunden. Veränderung bedeutet immer Arbeit, Risiko und vielleicht sogar Misserfolg. Der Mensch neigt dazu, Dinge, die funktionieren, nicht zu verändern.

Diese Angst könnte man den Brauern nehmen, indem man Steigerungsbrauversuche mit neuen Hopfensorten macht. Man setzt sie erst zu 25 Prozent ein und steigert langsam auf 75 Prozent. Bei Dreiecksverkostungen erkennt man hinterher schnell, ob sich etwas ändert. Dann sieht man schon, wie weit man bei der Substitution gehen kann.

Gibt es eine Tendenz in Richtung Umdenken?

Es gibt positive Tendenzen. Für den Brauerbund arbeite ich seit vier Jahren an Nachhaltigkeitskonzepten mit den Brauereien. Viele sehen ein, dass sich etwas ändern muss, und sind offen für Brauversuche mit neuen Hopfensorten. Meine Ansatzpunkte hierfür sind der Nachhaltigkeitsaspekt und die Versorgungssicherheit mit Qualitätshopfen.

Alte Hopfensorten, die seit Jahrzehnten im Boden und im Rezept sind, hat man auch früher schon nach einiger Zeit ausgetauscht. Sie erfüllen die heutigen Anforderungen auf die Umwelt bezogen nicht mehr, weil sie viel Pflanzenschutz brauchen und schlechtere Erträge bringen.

Hugo Lehnert "Der Hopfenbau" von 1877, Deutsches Hopfenmuseum Wolnzach
Hugo Lehnert „Der Hopfenbau“ von 1877, Deutsches Hopfenmuseum Wolnzach Foto: Daniela Christ

Für den Brauer sind sie riskant, da sie den klimatischen Bedingungen nicht mehr standhalten. Neue Sorten sind robuster und haben einen stabileren Liefer-Rhythmus in Bezug auf Menge und Qualität.

Ist Hopfen der wichtigste Geschmacksgeber im Bier?

Die Grundlage für ein gutes Bier schafft das Malz. Der Hopfen bringt die Bittere und im Nachgang die Blume, das sogenannte Hopfenaroma, hinein. Bitterkeit und Malzaroma müssen sich aufheben, damit eine gute Balance und Ratio entstehen. Das alles wäre eine süß-bittere Brühe, wenn es die Hefe nicht gäbe.

Hefen zum Bierbrauen in der Hefebank Weihenstephan
Hefen zum Bierbrauen in der Hefebank Weihenstephan Foto:U.Peise

Vergoren wird jedes Bier mit Hefe. Ob sie wieder herausgenommen wird oder im Sud bleibt, hängt von der Art des Bieres ab. Aus feinen, klaren Bieren wird sie vor der Abfüllung herausfiltriert. Bei den beliebten Kellerbieren oder auch Zwickelbieren bleibt ein Teil der Hefe im Bier und bringt die typische naturtrübe Optik.

In Bayern gibt es mehrere Hefebanken, die bekannteste ist in Weihenstephan. Sie beheimatet mehr als 1000 Hefestämme, die die Brauereien dort in kleinen Mengen kaufen. Es gibt sogenannte Standardhefestämme, die mehrere Brauereien nutzen, wie die Hefe Weihenstephan 34/70, die man für ein klassisches Helles verwendet.

Manche Brauereien haben ihre eigenen Hefestämme. Man hat sie dort selektiert und in Weihenstephan an der Hefebank abgelegt, um immer wieder auf den Urstamm zurückgreifen zu können. Deshalb nennt man Weihenstephan den Hüter der Hefen.

Hefestamm aus der Hefebank Weihenstephan
Hefestamm aus der Hefebank Weihenstephan Foto: Daniela Christ

Viele Brauhäuser haben Hefereinzuchtanlagen. Dort züchten sie aus einzelnen Hefezellen ihre Hefestämme. Hefen vermehren sich sehr freudig, wenn das Nährmedium stimmt. So können die Brauereien innerhalb einer Woche Hefe für einen ganzen Sud herstellen.

Ich habe neulich eine Brauerei mit eigener Hefebank besucht. Sie ist dafür bekannt, zahlreiche Hefestämme für unterschiedliche Biere im hauseigenen Labor zu haben. Jede Biersorte hat dort einen für sie charakteristischen Hefestamm.

Das Bier soll schließlich immer gleich schmecken. Andere Brauer arbeiten mit nur drei Hefen: einer obergärigen, einer untergärigen und einer für Craftbiere.

Wohin geht der Trend beim Bierbrauen? Wird das Alkoholfreie beliebter und geschmacklich besser?

Der Trend geht klar zu alkoholfreien Bieren. Besonders gefragt sind hier Weißbiere. Die Nase vorn im Wachstum, aber nicht den Gesamtmarkt betreffend, haben die alkoholfreien Hellbiere. Auch Biermischgetränke ohne Alkohol sind sehr beliebt.

Alkoholfreies Biersortiment im Getränkemarkt
Alkoholfreies Biersortiment im Getränkemarkt Foto: Daniela Christ

Diese Entwicklung ist ein guter Ansatzpunkt für neue Hopfensorten. Man nutzt Hopfensorten, die eine sehr breite Aromaausprägung haben, um den fehlenden Geschmacksträger Alkohol zu kompensieren. Auch das Hopfenstopfen wie bei Craftbieren kommt je nach Bier-Typ bei alkoholfreiem Bier zum Einsatz.

Beim Pale Ale alkoholfrei bringt die Ale-Hefe einen Blumenstrauß an Aromen mit, weil sie eine sehr obergärige wilde Hefe ist. Durch zusätzliches Hopfenstopfen merkt man einem solchen Bier im ersten Moment nicht an, dass es alkoholfrei ist.

Ich wollte kürzlich ein neues alkoholfreies Helles probieren. Ich war in drei Geschäften, aber überall war es ausverkauft. In einem Getränkemarkt sagte ein Kunde, der gerade an der Kasse stand: Dann kaufen Sie doch besser gleich ein Wasser! Ich antwortete ihm: Mir schmeckt das Wasser aber besser, wenn’s einmal durch die Brauerei durch ist.

Fällt alkoholfreies Bier auch unter das Reinheitsgebot?

In Bayern fallen uneingeschränkt alle Biere unter das Reinheitsgebot, ob mit oder ohne Alkohol. In anderen Bundesländern kann es Ausnahmen geben. Alkoholfreie Biersorten betreffend fällt mir aber keine Sonderregelung ein.

Es gibt mittlerweile sehr gute technische kombinierte Verfahren. Zum Beispiel die gestoppte Gärung oder die unterschiedlichen Methoden der nachträglichen Entalkoholisierung. Diese Biere schmecken biertypischer und säuerlicher.

Alkoholreduktion durch gestoppte Gärung lässt das Bier durch den unvergorenen Restzucker eher süßlich malzig schmecken und es enthält mehr Kalorien. Verschiedenste Hopfen- und Malzsorten bringen so viel Geschmack ins Bier. Es ist unnötig etwas zuzusetzen, um den Geschmack zu verbessern.

Man sieht es an den neuen Hellbieren im Markt, die man wunderbar im Reinheitsgebot brauen kann. Da hat sich sehr viel getan in den letzten Jahren. In Amerika gibt es kein Reinheitsgebot, aber da schmeckt das Alkoholfreie trotzdem nicht besser.

Weitere Beiträge der Autorin im Magazin:

Von der Marienkäferzucht zum Papst für Hopfenforschung
https://www.journalistenakademie.de/dossiers/in-bewegung/von-der-marienkaeferzucht-zum-papst-fuer-hopfenanbau/

Hopfenanbau in der Hallertau
https://www.journalistenakademie.de/dossiers/in-bewegung/hopfen-in-der-hallertau/

Wie klingt eine Praline namens Emelie?
https://www.journalistenakademie.de/dossiers/in-bewegung/andreas-muschler-komponiert-feinste-handgemachte-pralinen/

Interview zum Thema Upcycling mit Alexandra von Biron
https://www.journalistenakademie.de/dossiers/in-bewegung/interview-zum-thema-upcycling-mit-alexandra-von-biron/

Der Podcast “50 über 50” – Für Frauen in der Lebensmitte
https://www.journalistenakademie.de/dossiers/in-bewegung/50-ueber-50-fuer-frauen-in-der-lebensmitte-ein-podcast/

Wenn Eltern älter werden: Eine schwere Geburt
https://www.journalistenakademie.de/dossiers/in-bewegung/wenn-eltern-aelter-werden-eine-schwere-geburt/

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