Von der Marienkäferzucht zum Papst für Hopfenforschung

Interview mit Dr. Florian Weihrauch

Wenn Dr. Florian Weihrauch über Hopfen, den Biodiversitätspfad und seine Forschung zu biologischem Pflanzenschutz erzählt, hört man gebannt zu und lernt enorm viel. Der Wissenschaftler forscht seit 1993 in der Hallertau am Hopfenforschungsinstitut Hüll. Dabei fokussiert er sich auf Themen wie biologischen Pflanzenschutz und darauf, wie man Schädlinge ohne Chemie mit Hilfe von Nützlingen in den Griff bekommt. Er ist weltweit der Experte für biologischen Hopfenanbau, wobei ihm die Zusammenarbeit mit konventionellen Anbauern wichtig ist. Er leitet die Arbeitsgruppe ökologische Fragen des Hopfenbaus und ist Vorsitzender der Wissenschaftlich-Technischen Kommission des Internationalen Hopfenbaubüros (IHB).

Florian Weihrauch mit durch Raubmilben infizierten Hopfenpflanzen
Florian Weihrauch mit durch Raubmilben infizierten Hopfenpflanzen Foto: Daniela Christ

Was fasziniert Sie am Hopfen?

Viele, die in der Hallertau geboren sind, haben irgendeinen Draht zum Hopfen. Ich kam rein zufällig hierher. Ein Studien-Kollege, der in Hüll ein kleines Forschungsprojekt betreute, vermittelte mir den Auftrag, dort eine Marienkäferzucht aufzubauen. Aus dem Viermonatsvertrag sind 31 Jahre fundierter wissenschaftlicher Arbeit geworden.

Damals wohnte ich noch in München, und dachte: Vier Monate geht das schon mit der Fahrerei in die Hallertau. In der Zwischenzeit habe ich mich an die Hopfenpflanze und die Kultur hier herangearbeitet.

Mit meiner Liebe zur Tochter eines Hopfenbauern wuchs auch die Leidenschaft für den Hopfen. Zuerst wohnten wir in München, dann kam das erste Kind und wir sind wieder in die Hallertau gezogen.

Welche Vorteile bietet ökologischer Hopfenanbau?

Wem, dem Landwirt, der Umwelt, dem Verbraucher oder der Gesellschaft? Am meisten profitiert die Umwelt, weil Ökobauern pfleglicher, sorgfältiger und umweltfreundlicher mit ihrer Kultur und mit ihren Böden umgehen. Ich möchte trotzdem nicht jeden konventionell anbauenden Hopfenbauern verteufeln.

Ich wehre mich strikt gegen Schwarz-Weiß-Malerei. Man kann nicht grundsätzlich sagen, wer ökologisch anbaut, ist gut und konventionell Produzierende sind schlecht. Das ist ein absolut fließender Übergang und die Betriebe sind irgendwo dazwischen angesiedelt in ihrer Herangehensweise.

Mein Lieblingsbeispiel ist unser Biodiversitätsprojekt in Eichelberg. Dort arbeite ich mit zwei konventionellen Betrieben effektiv zusammen. Sie denken naturnah, wollen die Umwelt schützen, aber nutzen bei ihrer Anbauweise immer noch konventionelle Werkzeuge.

Biodiversitätspfad Hopfen und Artenvielfalt in Eichelberg
Biodiversitätspfad Hopfen und Artenvielfalt in Eichelberg Foto: Florian Weihrauch

Für mich ist das völlig in Ordnung. 30 Prozent Bio bis 2030 bezogen auf den Hopfen zu erreichen ist völlig unrealistisch. Das kann nicht funktionieren.

Was ist der größte Unterschied zwischen konventioneller und ökologischer Anbauweise?

Ökologische Landwirte verzichten auf chemisch-synthetische Mittel. Sie verwenden Kupfer für den Pflanzenschutz, weil es ein natürlich vorkommendes Element ist. Gegen Schädlinge nutzen sie Schwefel und Quassia amara. Ein Bitterholz aus Mittelamerika, neben Enzian die bitterste Substanz der Welt.

Dieses Mittel wird seit Ende des 19. Jahrhunderts als Repellent gegen die Hopfenblattlaus eingesetzt und ist eines der ersten Pflanzenschutzmittel im Hopfenanbau überhaupt. Man besprüht die Pflanzen mit einem Tee aus den Holzraspeln und den mag die Blattlaus gar nicht. Bei den Pilzkrankheiten, Echter Mehltau und Falscher Mehltau, auch Peronosporapilz genannt, hilft nur der Einsatz von Kupfer.

Gegen den dritten Pilz, die Welke, ist bislang noch kein Kraut gewachsen. Man muss sich vorstellen, dass sich in einem Kubikmeter Boden Milliarden von Lebewesen tummeln. Pilze, Bakterien, Viren, kleine Insekten, Milben und auch Verticillium-Welke ist im Boden immer vorhanden. Wenn sich in der Erde ein Ungleichgewicht entwickelt, weil wichtige Akteure wie Pilze und Bakterien verschwinden, hat die Welke mehr Platz sich auszubreiten.

Sie verstopft die Leitungsbahnen im Hopfen und unterbindet den Wassertransport. Bei diesem Thema haben Ökobauern gegenüber konventionell produzierenden Landwirten einen großen Vorteil. Sie behandeln ihre Böden viel pfleglicher und haben deshalb selten Probleme durch die Welke.

Wie weit ist man bei der Forschung zur Züchtung schädlingsresistenter Sorten?

Hier müssen wir zwischen den Begriffen Schädling und Krankheit differenzieren. Leider wird beides von den Hopfenanbauern oft unter dem Begriff Schaderreger zusammengefasst. Unter Schaderregern verstehen sie Viroide, Milben, Blattläuse und Pilze. Jede dieser Schädlingsklassen braucht eine andere Herangehensweise. Mein Spezialgebiet sind tierische Schädlinge.

Ich beschäftige mich vorwiegend mit Blattläusen, der Gemeinen Spinnmilbe und dem Hopfenerdfloh, der eigentlich ein Käfer ist. Der Erdfloh verursacht zwei Schadereignisse. Im August richtet er den größeren Schaden an, weil die sich entwickelnden Blüten seine Lieblingsmahlzeit werden. Statt der schönen Dolden entwickeln sich dann verkümmerte Missgebilde, die unbrauchbar sind und vom Peronosporapilz befallenen Pflanzen ähneln.

Florian Weihrauch mit durch Raubmilben infizierten Hopfenpflanzen
Florian Weihrauch mit durch Raubmilben infizierten Hopfenpflanzen Foto: Daniela Christ

Der Käfer überwintert und macht sich im Frühjahr über die frischen Austriebe her, das erste Grün, das er weit und breit findet. Meiner Meinung nach ist das kein wirtschaftlich relevanter Schaden, denn der Hopfen hilft sich durch sein schnelles Wachstum selbst. Die Landwirte sehen das anders.

Es ist sehr schwer, Resistenzen oder Toleranzen gegen tierische Schädlinge an Pflanzen zu züchten. Von etwa 308 Hopfensorten weltweit gibt es nur zwei, die gegen die Blattlaus resistent sind: Boadicea aus Großbritannien und Spalter Select, die sehr blattlaustolerant ist. Bei der Nachfrage rangiert dieser Hopfen unter den zwanzig hier angebauten Sorten auf den Plätzen sieben bis zehn.

Gegen die Schädlinge Spinnmilbe und Erdfloh ist die Forschung bisher erfolglos. Der Hopfen ist ein weites Feld. Ich beschäftige mich damit seit 30 Jahren und lerne jeden Tag dazu. Die Forschung bewegt sich ständig weiter, aber eine neue Hopfensorte zu züchten braucht Zeit. Es vergehen zwölf Jahre von der Kreuzung bis zur Markteinführung.

Resistenzen gegen Pflanzenkrankheiten zu entwickeln ist etwas einfacher. Vor allem gegen den Peronospora-Pilz, der aus Südostasien nach England und dann zu uns kam. 1924/25 tauchte er in der Hallertau zum ersten Mal auf und verursachte einen Flächenbrand.

Es war schnell klar, dass man die Peronospora-Krankheit dringend in den Griff bekommen musste. Kupfer war anfangs das Mittel der Wahl, bevor sich synthetischer Pflanzenschutz als schneller und effektiver erwies. Der Anbau von Hopfen wäre sonst unmöglich geworden. Die Münchner Brauereien beschlossen, etwas gegen diese Plage zu tun und gründeten 1926 das Forschungsinstitut in Hüll. In zwei Jahren feiern wir hier das 100-jährige Jubiläum.

Schild am Eingangsbereich beim Forschungszentrum in Hüll
Schild am Eingangsbereich beim Forschungszentrum in Hüll Foto: Daniela Christ

Diese falschen Mehltaupilze sind die Geißel der Landwirtschaft. Sie greifen Kartoffeln und Gemüse genauso an wie Obst oder Weinreben, haben nur kulturspezifisch andere Namen. Ich habe Mailkontakt zu Anbauern in Frankreich oder Amerika, die ökologisch anbauen wollten. Nach drei Jahren erreichten mich Fotos ihrer verkümmerten Pflanzen mit der Frage, was damit auf einmal los sei. Auch dort treibt der Peronosopora-Pilz sein Unwesen.

Selbst der Hopfen im Garten meines Vaters wurde davon befallen. Auch er fragte sich, was mit seinem schönen Hopfen passiert war. Es geht nicht ohne Pflanzenschutz. Es ist wichtig, die Primärinfektion in den Pflanzen zu beseitigen. Aus ökologischer Sicht gibt es bisher kein verlässlich wirksames Mittel dagegen.

Gibt es Möglichkeiten, Schädlinge abzuhalten, wie die Kombination mit anderen Pflanzen?

Das ist utopisch. Aber ich pflanze heute zwischen den Hopfenpflanzen wilden Wein, der eigentlich selbstkletternde Jungfernrebe heißt. Ich will damit Strukturen etablieren, um Nützlinge über den Winter im Boden zu halten. Durch den Einsatz von Akariziden gegen Spinnmilben, die im Hopfenanbau große Probleme verursachen, gibt es immer weniger Nützlinge im Boden.

Biodiversitätspfad Hopfen und Artenvielfalt in Eichelberg
Biodiversitätspfad Hopfen und Artenvielfalt in Eichelberg Foto: Florian Weihrauch

Von 1960 bis in die achtziger Jahre setzten die Weinbauern flächendeckend Breitbandinsektizide gegen die Spinnmilbe ein. Dadurch wurden viele Nützlinge wie beispielsweise die Raubmilbe aus den Weingärten vertrieben. Die Pflanzenschutzmittelindustrie hat bei den Bauern durch ihre Werbung für diese Produkte Gehirnwäsche betrieben. Seit 1980 setzt man selektiv nur noch milde, raubmilbenschonende Insektizide ein.

Dadurch erholte sich der Raubmilben-Bestand. Akarizide sind im mitteleuropäischen Weinbau nicht mehr im Gebrauch. Man hat so das Gleichgewicht im Pflanzenbestand wiederhergestellt und eine übermäßige Ausbreitung der Gemeinen Spinnmilbe auf natürliche Weise verhindert. Dieses Prinzip funktioniert im Wein- und Obstanbau, nur nicht im Hopfenanbau.

Die Spinnmilbe attackiert weltweit 200 Kulturpflanzen, jedes Gemüse, sogar Lindenbäume. Es gibt wenige Menschen, die sich weltweit besser mit diesem Schädling auskennen als ich. Darüber habe ich meine Dissertation geschrieben. Das Zusammenspiel von Hopfenanbau und Spinnmilbe ist mein Spezialgebiet.

Kräutergarten im Forschungszentrum Hüll
Kräutergarten im Forschungszentrum Hüll Foto: Daniela Christ

Für meine letzten beiden Jahre hier am Institut habe ich mir ein Ziel gesetzt: Ich möchte mich mit einer Strategie verabschieden, die Spinnmilbenplage auch im Hopfenanbau mit Raubmilben in Schach zu halten, als Alternative zum synthetischen Pflanzenschutz.

Wie reagiert der Hopfenanbau auf den Klimawandel?

Er wird definitiv komplizierter. Ähnlich wie im Weinanbau, wo Bordeaux- oder Riesling-Winzer mit den Rebstöcken in die Höhe gehen müssen, weil in den tieferen Lagen das Klima zu warm wird. Das vertragen die alten Sorten nicht.

Im Hopfenanbau brauchen wir in Zukunft viel mehr Allrounder. Sie müssen extremen Klimabedingungen wie Wassermangel genauso standhalten, wie Überschwemmungen. Normale Klimaverhältnisse, wie ich sie noch vor 20 Jahren erlebt habe, gibt es nicht mehr.

Werden deshalb Sorten gezüchtet, die nicht so witterungsanfällig sind?

Das Züchten robusterer Sorten wäre schon ein Ziel. Die Landwirte hier in der Hallertau wollen Trockenphasen aber mit Bewässerungsanlagen überstehen. Durch die drohende Wasserknappheit tut sich ein großes Diskussionsfeld auf.

Klimaversuch mit Hopfenpflanzen im Zelt
Klimaversuch mit Hopfenpflanzen im Zelt Foto: Daniela Christ

Von Vorteil ist, dass man beim Hopfen mit sparsamer Tröpfchen-Bewässerung auskommt. Auf Dauer wird man sich Alternativen überlegen müssen, denn das Wasserproblem steht vor der Tür. Das Grundwasser wird weniger. Bäche, die ich seit Jahren beobachte, sind fast ausgetrocknet.

Wegen extremer Wetterereignisse wird nichts an den Sorten verändert, sondern am Anbau. Die Gerüste tragen im August mit den ausgewachsenen Dolden ein enormes Gewicht. Bei Sturm fallen sie oft um wie Zahnstocher. Anstelle sieben Meter hoher Gerüste will man mit sechs Metern auskommen. So sind sie stabiler. Ein Meter macht hier sehr viel aus.

Wie sorgen Regenwürmer für fruchtbare Böden?

Regenwürmer sind wichtige Helfer, weil sie vertikale Strukturen und Kanäle im Boden schaffen, um Feuchtigkeit zu speichern. Durch eine vernünftige Untersaat und möglichst wenig Bodenverdichtung fördert man die Regenwurmdichte. Untersaat sind Pflanzen wie Raps, der in den Fahrgassen wächst.

Diese grüne Bodenbedeckung wird einmal im Jahr dort eingearbeitet als Futter für die Regenwürmer. Wo landwirtschaftliche Fahrzeuge fahren, ist der Boden verdichtet. Deshalb ist es so wichtig, auf Untersaat zu achten und die Durchfahrten zu minimieren.

Lässt sich die Nachfrage nach ökologischem Hopfen steigern?

2000 habe ich angefangen mich mit Ökohopfen zu beschäftigen. Damals gab es etwa 70 Hektar Anbaufläche für Ökohopfen in Deutschland. Aktuell werden es 305 Hektar sein. Das sind 1,5 Prozent der Gesamtanbaufläche von Hopfen in Deutschland, minimal im Vergleich zu konventionellem Anbau.

In den letzten zehn Jahren kam es zu einer Verdreifachung der Anbaufläche für Ökohopfen. Das kann man als Riesenerfolg werten. Markus Eckert ist mit 50 Hektar der größte Anbauer für Ökohopfen in Deutschland. Wenn wir die ökologische Anbaufläche bis 2030 auf drei Prozent steigern, können wir zufrieden sein.

30 Prozent sind bis dahin unerreichbar. Es ist immer eine Sache der Nachfrage. Durch die Craftbierwelle in Amerika stieg auch hier das Interesse an gutgehopften Bieren. Dadurch ist der Bedarf an Hopfen stark gestiegen. Trends kommen und gehen, sind schnelllebig.

Momentan ist der Hopfenmarkt in einer Phase der Übersättigung. Die gesamte Brauereiwirtschaft schiebt etwa zwei Ernten als Bugwelle vor sich her, die in den Lagern warten. Das wird sich wieder ändern, aber so wie ich das sehe, liegen wieder ein paar Jahre im Tal der Tränen vor den Hopfenbauern.

Warum bringt ökologischer Hopfenanbau weniger Ertrag?

Ökobauern gehen mit stumpferen Waffen gegen Schädlinge und Krankheiten vor. Sie haben größere Probleme im Anbau und weniger Ertrag, weil sie auch auf synthetische Dünger verzichten. Ökologischer Hopfenanbau erfordert im Vergleich zur konventionellen Konkurrenz doppelt so viele Arbeitsstunden pro Hektar.

Der Biobauer erledigt viele Arbeitsschritte händisch, die auf konventionellen Feldern maschinell und chemisch-synthetisch bewältigt werden. Deshalb ist ökologischer Hopfen im Verkauf auch wesentlich teurer.

Welche Züchtungserfolge sind für Sie denkbar im Hinblick auf Resistenzen?

Das wäre nice to have. Ich sehe bei der klassischen Züchtung keinen Ansatz dafür, einen Genotyp zu finden, der komplett resistent gegen Spinnmilben ist.

Lassen sich durch Züchtung die gesundheitlich positiven Wirkstoffe im Hopfen für medizinische Zwecke nutzen?

Positive gesundheitliche Aspekte durch Züchtung zu erreichen, halte ich für unmöglich. Bisher werden nur vier Prozent der Hopfenernte für medizinische Zwecke verwendet. Dass Hopfen Frauenleiden lindern kann, wusste Hildegard von Bingen schon im Jahr 1100.

Den Löwenanteil wird immer das Bier einnehmen und daran wird sich auch nichts ändern. Weihenstephan hat 2004 ein Hefeweißbier und ein alkoholfreies Biermischgetränk mit einem erhöhten Gehalt an Xanthohumol herausgebracht.

Xanthohumol zählt zu den sekundären Pflanzenstoffen mit entzündungshemmenden Eigenschaften. Um eine gesundheitlich relevante Menge am antioxidanzreichen Polyphenol des XAN-Bieres aufzunehmen, müsste man jeden Tag einen Kasten Bier trinken. Ich halte das für Augenwischerei.

Infokasten: Was ist Xanthohumol?

Bei Xanthohumol handelt es sich um ein prenyliertes Pflanzenpolyphenol, das den Chalkonen zugeordnet wird und bisher ausschließlich im Hopfen nachgewiesen werden konnte. Dabei weisen die Bitterhopfensorten einen deutlich höheren Gehalt an Xanthohumol auf als Aromasorten. Beim Brauprozess wird Xanthohumol weitestgehend durch das Erhitzen in Isoxanthohumol umgewandelt.[3]

In Tests zeigte sich Xanthohumol als wirksam gegen die Entstehung und Entwicklung von Krebszellen.[4][1] Die chemopräventive Wirkung von Isoxanthohumol ist deutlich geringer.[3] Die Privatbrauerei Hoepfner entwickelte ein 2004 patentiertes Verfahren, um Bier mit einem erhöhten Xanthohumol-Gehalt zu brauen.[5]

An der Lanzhou-Universität in China konnte in Laborversuchen festgestellt werden, dass Xanthohumol die Nervenzellen des Gehirns schützen kann und dadurch möglicherweise helfen könnte, bei Erkrankungen wie Alzheimer oder Parkinson den Krankheitsverlauf zu verlangsamen.[6]

An den Universitäten Hohenheim und Tübingen wird das Flavonoid als möglicher Wirkstoff gegen SARS-CoV-2 untersucht: In Zellkulturen hemmt Xanthohumol und seine Derivate das für die Virusvermehrung benötigte Enzym SARS-CoV-2 Papain-like-protease (PLpro).[7]

Link: https://de.wikipedia.org/wiki/Xanthohumol abgerufen am 21.06.2024 um 13.43 Uhr

Wie sieht Hopfenanbau in zehn Jahren aus?

Gute Frage. Ich habe neulich Unterlagen eines Symposiums von 2008 gefunden. Thema war, wie Hopfenanbau 2020 aussehen wird. Seitdem hat sich nichts geändert. Es wird sich auch in den nächsten zehn Jahren nicht großartig etwas verändern.

Aber die Förderung von Nützlingen wird zunehmen. Daran arbeite ich im Rahmen unseres Biodiversitätsprojekts in Eichelberg. Damit kann man viel bewegen. Mein Lieblingsprojekt, an dem wir arbeiten, ist, die Abwehrkräfte von Pflanzen gegen Schädlinge zu stärken.

Biodiversitätspfad Hopfen und Artenvielfalt in Eichelberg
Biodiversitätspfad Hopfen und Artenvielfalt in Eichelberg Foto: Florian Weihrauch

Man nennt dies induzierte Resistenz. Das hat nichts zu tun mit genetischer Resistenz, die über Züchtung erfolgt. Ich habe über mehrere Jahre beobachtet, dass Pflanzen, die einen starken Schädlingsbefall durchgemacht haben, sich künftig besser dagegen wehren können. Ihr individuelles Immunsystem wird dadurch gestärkt.

Künstlich mit Spinnmilben infizierte Hopfenpflanze zum Aufbau von Abwehrkräften
Künstlich mit Spinnmilben infizierte Hopfenpflanze zum Aufbau von Abwehrkräften Foto: Florian Weihrauch

Wir infizieren den Hopfen im Gewächshaus künstlich mit Spinnmilben. Dadurch mobilisiert er Widerstandskräfte gegen den Schädling. Wir setzen 100 mit Spinnmilben infizierte Pflanzen und 100 pflanzenschutzbehandelte Exemplare in den Hopfengarten. Dann beobachten wir, wie sich beide Gruppen gegen den Schädling hoffentlich unterschiedlich zur Wehr setzen.

Mit Spinnmilben infizierte Hopfenpflanzen zum Aufbau von Abwehrkräften
Mit Spinnmilben infizierte Hopfenpflanzen zum Aufbau von Abwehrkräften Foto: Florian Weihrauch

Gegen die Spinnmilben halte ich den Einsatz gezüchteter Raubmilben für richtig. Nützlinge können entweder natürlich vorkommende sein, die wir mit unterstützenden Maßnahmen fördern oder gezüchtete Nützlinge, die man kauft, um Pflanzen damit zu behandeln. Es ist ein Zusammenspiel aus Vielem, um zum Erfolg zu kommen.

Werden die Sorten dem Klimawandel angepasst?

Das passiert ständig, aber aus wirtschaftlichen Gründen. Das Bessere ist der Feind des Guten. Als ich nach Hüll kam, war Hallertauer Magnum weltweit die Sorte mit dem höchsten Alphagehalt.

Mittlerweile hat ihn die Sorte Herkules abgelöst. Sie ist wirtschaftlicher, weil man durch größeren Ertrag pro Hektar und höheren Bittergehalt mehr Alphasäure produziert, das A&O-Kriterium für Brauereien. Beide Sorten wurden in Hüll gezüchtet. Herkules bringt 480 kg Alpha pro Hektar, Magnum nur 280 kg.

Neue Hopfensorte Titan Infotafel Forschungsinstitut Hüll
Neue Hopfensorte Titan Infotafel Forschungsinstitut Hüll Foto: Daniela Christ

Herkules ist bisher die Basis für jedes Bier wegen seines hohen Alphasäuregehalts. In der Hallertau nimmt er 50 Prozent der Anbaufläche ein, deutschlandweit ein Drittel. Damit ist uns ein echter Sortenfortschritt gelungen. Es gibt häufig Sortenwechsel, auch wenn Aromasorten wie Hallertauer Tradition und Perle Dauerbrenner sind, weil sie neben ihren tollen Aromen auch einen hohen Alphaanteil mitbringen. Mit Titan hat man im Forschungszentrum Hüll aber schon den nächsten vielversprechenden Hopfen-Konkurrenten in der Pipeline. Die neue Sorte überzeugt im Vergleich zu Herkules mit einer Resistenz gegen Mehltau und ist tolerant gegen Peronospora

Woher kommen die schönen Namen der Hopfensorten?

Inzwischen werden Firmen mit der Namensgebung beauftragt, aber den Hallertauer Taurus habe ich erfunden. Leider hat er sich trotz seiner Stärke im Namen nie durchgesetzt.

Wie viele Hopfensorten kann man in einem Bier finden?

Bereits mit einer Hopfensorte kann man Bier brauen. Ich kenne aber auch Biere mit zehn Hopfensorten und mehr.

Welches ist Ihr größter und wichtigster Forschungserfolg?

Ich habe gezeigt, wie man mit Raubmilben, Nützlingsförderung und induzierter Resistenz die Spinnmilbenbekämpfung auf natürliche und biologische Weise erledigt.

Weitere Beiträge der Autorin im Magazin:

Ökologischer Hopfenanbau: Wie gelingt der Wandel in Bayern?
https://www.journalistenakademie.de/dossiers/in-bewegung/walter-koenig-im-interview-oekologischer-hopfenanbau/

Hopfenanbau in der Hallertau
https://www.journalistenakademie.de/dossiers/in-bewegung/hopfen-in-der-hallertau/

Wie klingt eine Praline namens Emelie?
https://www.journalistenakademie.de/dossiers/in-bewegung/andreas-muschler-komponiert-feinste-handgemachte-pralinen/

Interview zum Thema Upcycling mit Alexandra von Biron
https://www.journalistenakademie.de/dossiers/in-bewegung/interview-zum-thema-upcycling-mit-alexandra-von-biron/

Der Podcast “50 über 50” – Für Frauen in der Lebensmitte
https://www.journalistenakademie.de/dossiers/in-bewegung/50-ueber-50-fuer-frauen-in-der-lebensmitte-ein-podcast/

Wenn Eltern älter werden: Eine schwere Geburt
https://www.journalistenakademie.de/dossiers/in-bewegung/wenn-eltern-aelter-werden-eine-schwere-geburt/

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