Sozialraum Ramersdorf

Der fast vergessene Stadtteil

Ramersdorf: ein Dorf außerhalb Münchens? Natürlich stimmt das nicht. Ramersdorf ist viel näher an der Innenstadt als manch einer glaubt. Hinter dem neuen Werksviertel geht es los: Gleich nach Obergiesing, neben Berg am Laim, noch vor Neuperlach und Trudering liegt Ramersdorf. Eingerahmt wird das Wohnviertel vom Mittlerem Ring und der Autobahn. Zentrum des alten Ortskerns ist die katholische Pfarr- und Wallfahrtskirche Maria Ramersdorf, die zu den ältesten und wichtigsten Wallfahrtskirchen im Erzbistum München und Freising gehört.

Ramersdorf ist ein eher ruhig wirkender Stadtteil, ohne gleich erkennbaren Brennpunktcharakter. Auf den ersten Blick wirkt der Stadtteil wenig attraktiv,  aber bei näherer Betrachtung zeigt er seine Besonderheiten. Hierzu gehört die Maikäfersiedlung, die in der Bad-Schachener-Straße noch ihren ursprünglichen 30er-Jahre-Charme hat. Wenn auch in die Jahre gekommen, sind in der Siedlung viel Grün und sensationell professionelle Graffiti zu sehen.

Ramersdorf ist ein vor allem durch die beiden großen Wohnungsbaugesellschaften Gewofag und GWG geprägter Stadtteil, ein primäres Wohn-Stadtviertel mit sozialem Wohnungsbau. Es ist noch nicht gentrifiziert, ohne großes Einkaufzentrum, wie das PEP oder die Riem Arcaden in der Nachbarschaft, und ohne U-Bahnstation, die seinen Namen trägt. Hier leben Menschen aus 56 Nationen. Er ist ein Stadtteil mit sehr heterogenen Wohn- und Einkommensverhältnissen.

Die Jugend hat sich hier ihren Raum genommen

Die Jugend – dafür könnte Ramersdorf stehen. Ebenfalls in der Bad- Schachener-Straße befindet sich seit 2017 die evangelische Jugendkirche für München in der Rogatekirche. Sie ist ein Treffpunkt für alle engagierten evangelischen Jugendleiter*innen und Teamer*innen in München, eine Oase zum Verweilen und hoffentlich bald auch wieder zum Feiern. Nicht zu vergessen ist der Jugendtreff Utopia und die Münchner Kinder- und Jugendfarm. Auch für Familien wird einiges getan. Neben zahlreichen Krippen und Kindertagesstätten gibt es das Familienzentrum Ramersdorf von Condrobs und das Dominik-Brunner-Haus der Johanniter. Auffällig ist, dass es in Ramersdorf kein Gymnasium gibt.

Nicht weit von der Jugendkirche entfernt hat die Bad- Schachener-Straße aus einem sehr traurigen Anlass Berühmtheit erlangt, als Ort des ersten NSU Mordes in Deutschland. Am 29. August 2001 wurde hier Habil Kılıç in seinem Gemüseladen erschossen. Eine Gedenktafel erinnert an alle Morde der NSU.

Sozialraum-Analyse

Die Münchner Stadtteilstudie weist Ramersdorf als einen Bezirk mit hoher soziodemographischer Herausforderung aus (Platz 10 von 114) im Bereich 16_1 (Karl-Preis-Platz) und (Platz 4 von 114) im Bereich 16_10 (Balanstraße/Hochäckerstraße mit besonderem Augenmerk auf die Langbürgener Straße) sowie geringer Brisanz (81 von 114) im Bereich 16_2 (Hofangerstraße/Ottobrunner Straße). Soziale Herausforderung ist ein Index, der einen eventuellen Handlungsbedarf anzeigt und so verdeutlicht, welcher Stadtbezirk unter der Bezeichnung „sozialer Brennpunkt“ einzuordnen ist. Die Indikatoren sind hierbei sehr vielfältig: Inanspruchnahme von Sozialleistungen, Arbeitslosigkeit, Migration, Mehrkinderfamilien, Alleinerziehende.

Aufgrund der sozialen Herausforderungen und dadurch, dass sich alles im Kiez abspielt und die Mobilität eher eingeschränkt ist, ist es gut und wichtig, dass wir uns in den Stadtteil hinein bewegen und von dort unsere Unterstützung anbieten – vor der Haustür, im Wohngebiet, niedrigschwellig und umfangreich. Zu Bedenken bleibt, ob es zukünftig nicht auch notwendig ist, im Bereich 16_10 eine Außensprechstunde anzubieten, um auch dort niedrigschwellig tätig sein zu können, am anderen Ende von Ramersdorf sozusagen.

Jürgen Wolf, Abteilungsleiter und Experte für Jugendberatung