„In Japan gibt es einen Tauschring für Altenpflege und in Italien schon lange Zeitbanken.“ Elisabeth Fahlbusch kennt sich aus mit der Welt des Tauschens und ist eine der OrganisatorInnen des Münchner LETS Tauschringes.

Fahlbusch erinnert sich genau, wie sie am 30. September 1996 als Studentin in der Schlange vor der Seidelvilla stand, um dem LETS Tauschring München beizutreten. Damals, so sagt sie, sei das Tauschgeschäft sehr populär gewesen. 1983 half Michael Linton in Kanada einer Gruppe arbeitsloser Holzfäller aus ihrer Geldnot, indem er die Idee eines Tauschringes entwickelte: Die Männer sollten ihre Fähigkeiten als Leistung nutzen, um diese tauschen zu können. Das Local Exchange Trading System (LETS)  – auf Deutsch „Örtliches Tauschhandelssystem“ – verbreitete sich Anfang der 90er weltweit. Bis nach Berlin Kreuzberg zu Deutschlands erstem Tauschring.

„Beim Tauschring gibt es Angebote, die es auf dem Markt so gar nicht gibt“,

sagt Fahlbusch. „Ich begleite Menschen zu einer Behörde oder manchmal braucht jemand einfach nur Hilfe beim Lampenanbringen.“ Die Liste der angebotenen Fähigkeiten reicht vom Rasenmähen und Marmelade einkochen bis zur Computerhilfe und Kinderbetreuung. Tiere werden gepflegt, Briefkästen geleert, Nähmaschinen verliehen oder Geschichten vorgelesen. München hatte Ende der 90er 800 Mitglieder im Tauschring. Heute sind es 400 Menschen, die sich für das Tauschen engagieren. „Vor allem mangelt es an Nachwuchs“, sagt Fahlbusch. „Tauschen braucht Zeit und man muss Niederlagen einstecken können“. Es komme vor, dass man trotz Engagements im Tauschring keine Hilfe bekomme. Sie selbst habe einmal dringend einen Autotransport gebraucht und keiner konnte ihr helfen. Oder jemand bietet tolle Fähigkeiten an, aber keiner interessiert sich dafür.

Ganz anders sei die Situation in Ländern wie Argentinien, Brasilien, Italien oder Österreich. Dort boomt das Tauschgeschäft.

In Italien gibt es über 300 Zeitbanken, die als Währung für erbrachte Tauschleistungen Zeit ansparen. Österreich besitzt 152 Regionalgruppen, die sich auf unterschiedliche Weise für den Austausch von Fähigkeiten begeistern. Deutschland zählt ungefähr 350 Tauschgemeinschaften, was bezogen auf die Bevölkerungsgröße weniger Tauschengagement bedeutet. Dafür gibt es in Köln seit 2014 eine besondere Initiative: Mitglieder des Vereins Zeitvorsorge helfen alten und bedürftigen Menschen. Die Hilfeleistung wird in der Vorsorge-ZeitBank angespart und kann nach Jahren selbst in Anspruch genommen oder verschenkt werden. Die Idee entstand 1973 in Japan. Eine Zeitbank verwaltet die Pflegewährung der Hilfeleistungen. Für Menschen die keine Zeit haben durch Hilfeleistungen Guthaben zu verdienen, gibt es die Möglichkeit kleine Beträge zu bezahlen.

„Ich hinterfrage das Wirtschaftssystem und bestimmte Versorgungssysteme“,

sagt Fahlbusch. Der LETS Tauschring könnte Teil einer alternativen Wirtschaftsform sein. Sie möchte sich vom Arbeitsmarkt abgrenzen, denn „jede Leistung ist grundsätzlich gleich viel Wert.“ Sonderregelungen gibt es im Tauschring zum Beispiel für die Hilfe bei einem Umzug. Die Helfer dürfen Extrapausen machen und auch Verpflegung sollte zur Verfügung stehen. Die Fahrtkosten des Helfers übernimmt immer der Nutzer. Andere Tauschringe legen dem Tauschgeschäft volkswirtschaftliche Prinzipien zugrunde und handeln wie in einem geschlossenen Wirtschaftssystem: In Münster wird die einzelne Tauschaktion an eine Gegenleistung geknüpft. Berliner Tauschinitiativen tauschen nur unter sich. Fahlbusch ist es wichtig, sich in der Welt des Tauschens überregional zu vernetzen.

AcrossLETS bietet hierfür eine Plattform im Internet und tauscht weltweit,  sogar um in fremden Städten zu übernachten.

Das Prinzip Leistung gegen Leistung sieht Fahlbusch ebenfalls kritisch: „Es ist wichtig, dass man erstmal im Tauschring auch passiv bleiben kann. Das ist ganz normal.“ Im Münchner LETS Tauschring darf das Tauschkonto tausend Talente ins Minus gehen. 20 Talente werden als Währung für jede Leistung in einer Stunde gesammelt. Die Talente werden in einem Tauschheft oder auf der Verwaltungsplattform OBELIO im Internet elektronisch verwaltet. OBELIO  vernetzt Tauschgemeinschaften in Deutschland und Europa und kann Tauschleistungen digital abrechnen. In München können Mitglieder des Tauschringes Angebote und Gesuche zusätzlich in der Marktzeitung finden.

„Lebenszeit muss wertgeschätzt werden. Die ist begrenzt.“

Tauschen ist für Fahlbusch mehr als die Verrechnung von Hilfeleistungen. Die Idee, Zusammenleben anders zu organisieren, hat sie nicht mehr losgelassen. Schwierigkeiten gibt es bei neuen Wegen immer. Aber: „Alles ist möglich“, sagt Fahlbusch und ihre Augen leuchten dabei.

 

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