Ich erinnere mich noch an die Achseln meiner Tante. Hob sie die Arme, waren da diese vielen, dunklen Haare. Ich erinnere mich auch an das dichte, dunkle Gekräusel, das aus dem Badeanzug meiner Mutter quoll. Meine Achseln sind seit ich denken kann und seit dort etwas wächst rasiert. Aus meinem Bikinihöschen quoll nie ein Busch. Ich weiß nicht, wann ich damit anfing mich zu rasieren, ich weiß nur, dass ich es einfach immer gemacht habe. Ich erinnere mich an brennende, gerötete Haut, etliche Schnittverletzungen unter der Dusche, Hautfetzen im Rasierer. Warum ich mir das seit Jahren antue? Rasieren – macht Frau halt. Die meisten meiner Freundinnen gehen zum Lasern oder Waxing. Die rasieren schon lange nicht mehr. „Probiere ich auch mal“, dachte ich und vereinbarte einen Termin. Bikinzone. Wenn, dann gleich richtig.

Welche Frisur wähle ich?

Ich muss mich direkt für einen „Schnitt“ entscheiden, davon hängt die Behandlungsdauer ab. Ich kann zwischen drei Varianten wählen.
Alles weg. Radikalschlag? Ich bin 34 und möchte nicht aussehen wie eine Zehnjährige. Also nein.
Ein Streifen. Auch Landebahn genannt. Bin ich ein Flughafen? Eine Freundin sagt zu diesem „Look“ auch Hitlerbärtchen. Möchte man das im Schritt haben? Nein danke.
Ein Dreieck. Die natürliche Form einfach etwas trimmen. Ob gleichseitig oder gleichschenklig, die Größe des Dreiecks ist frei wählbar. Nehme ich.

Mittwoch, 10 Uhr. Gleich habe ich meinen Termin im Waxing Studio. Ich habe die Voraussetzungen beachtet, war nicht in der Sonne, bin nicht eingecremt und habe den Rasierer die letzten Wochen nicht benutzt. Im Studio riecht es nach Duftkerzen, im Hintergrund läuft ruhige Musik. Dina wird mich heute behandeln. Ob ich schon mal da war möchte sie wissen. Ich war noch nie beim Waxing. Dina kann es kaum fassen. „Wirklich noch nie?“ Vielleicht hat sie Angst, dass die angesetzten 20 Minuten nicht reichen? „Nein, wirklich noch nie.“ Ob ich ihr sagen soll, dass ich einen Rasierer besitze und den ja auch verwende? „Gut, dass du hier bist. Man soll ja immer mal neue Dinge ausprobieren.“ Sie empfiehlt mir Sugaring: Haarentfernung mit einer Zuckerpaste. Das sei schonender und angenehmer, vor allem, wenn ich das noch nie gemacht habe.

Frei machen und hinlegen bitte

„Du darfst dich dann untenrum freimachen und auf der Liege Platz nehmen. Ich bin gleich wieder da.“ Das höre ich sonst nur von meiner Frauenärztin, aber gut. Die Wände im Behandlungszimmer sind rosa, in der Ecke steht ein weißer Stuhl für meine Kleidung. Ich ziehe mich aus und lege mich auf die Liege, die in der Mitte des Raums steht. Dina betritt wieder den Raum. Dann soll ich meine Hände desinfizieren. „Warum das denn?“ frage ich. „Du wirst die Haut etwas für mich spannen“, erklärt sie und platziert meine Hände auf meinem unteren Bauch.

Als Erstes wird meine Bikinizone mit Babypuder gepudert. Damit die Haut trocken ist und die Paste besser hält. Es geht los. Dina verrührt die erwärmte Zuckerpaste mit einem Holzspachtel und streicht sich etwas davon auf die Finger. Sie trägt Handschuhe. Es knistert, während sie die bernsteinfarbene Paste in den Händen weichknetet. Erinnert mich an Bonbons. Diese zähe Masse, die man langzieht, verdreht, auf den Tisch klatscht, zu einer Wurst rollt und dann in kleine Stücke hackt. Das passiert hier und heute natürlich nicht. Vom Kneten ist die Paste schön geschmeidig geworden. Dina trägt sie auf eine kleine Stelle auf und arbeitet sie ein. Fühlt sich gut an, wunderbar weich und warm. Ziept aber auch etwas. „Ok, bist du bereit?“, fragt sie währenddessen. Zack. Ich war noch nicht bereit. Aus weich und warm wird stechend und heiß. Der Schmerz verschwindet erst nach ein paar Sekunden. Die Haut knallrot, mein Puls deutlich schneller, mir wird warm. Was habe ich mir dabei gedacht? Ich versuche den Schmerz wegzuatmen, dann ist auch schon die nächste Stelle dran.

Es tut weh

Das erste Mal sei immer am schmerzhaftesten. „Mhm“, ich nicke und lächle. Es werde von Mal zu Mal weniger. Ja klar. Aber weniger schmerzhaft tut doch immer noch weh, denke ich mir. Weiter geht’s mit dem Dreieck, wir haben erst eine Seite fertig. Immerhin weiß ich jetzt, was kommt. Also konzentriere ich mich auf die Musik. Es läuft „At Last“ von Etta James. Wirklich? Das glaube ich jetzt nicht. Ist das Zufall oder eine versteckte Botschaft von Dina an mich? „Endlich! Endlich Carlotta, bist du hier.”

20 Minuten später. Alles rot, aber glatt und akkurat. Ob wir den nächsten Termin gleich vereinbaren sollen oder ich erstmal abwarten möchte, „wie es so nachwächst“, fragt mich Dina. In etwa drei bis vier Wochen wäre das dann. „Hm, erstmal abwarten.“

Im Yoga spürt man im Anschluss an eine Übung nach

Klappt gerade ziemlich gut dieses Nachspüren. Das waren definitiv sehr intensive 20 Minuten. Schmerzhafte Minuten. Ich spüre noch immer ein leichtes Pochen. Intime Minuten. Dina kam mir sehr schnell, sehr nah. Sicherlich nichts für jeden. Ob ich in drei bis vier Wochen nochmal komme? Weiß ich nicht, der Schmerz sitzt noch zu tief. Ich laufe nach Hause, Etta James im Ohr. At last my hairy days are over – zumindest für die nächsten paar Wochen.