Menschen stellen gern die Sinnfrage. Häufig geht es um grundsätzliche Themen von großer Bedeutung, hoher Reichweite und Potential zur Polarisierung.

Die Sinnfragen werden gerne in stundenlangen Talkshow Gesprächen mit prominenten Persönlichkeiten am Sonntagabend besprochen. Da geht es um den Sinn und Unsinn von Glauben, der Arbeit, Impfungen, Recycling, Tierversuchen oder veganes Leben. Ganz alltägliche Entscheidungen werden kontrovers diskutiert, so etwa der Kauf und die Nutzung von SUVs. Und jetzt mal ehrlich, welche Sinnfrage haben Sie sich zuletzt gestellt?

War die Antwort befriedigend? Wen haben Sie zurate gezogen?

Vor Kurzem unternahm ich einen Selbstversuch, um die Frage nach Sinn und Unsinn grundsätzlich zu erforschen. Am einfachsten erschien mir dabei, die Frage Google zu stellen, ist doch die amerikanische Suchmaschine oft erste Anlaufstelle für jegliche konkrete, abstrakte, verrückte oder absurde Suche. Nachdem ich Sinn und Unsinn in das Browserfenster eingegeben hatte, erschienen sogleich die ersten Ergebnisse in dieser Reihenfolge: Sinn und Unsinn des Lebens, der Ehe, der Sprüche. Aha. Wenn dies die häufigsten Ergebnisse sind, dann sind im Umkehrschluss Leben und Ehe die Fragen, die Menschen am meisten bewegen.

Als geschiedener Mann entscheide ich mich spontan für Sinn und Unsinn der Ehe und drücke die Eingabetaste. Als Ergebnis erhalte ich 22.800 Suchergebnisse! Auf Platz eins landet ein Buchvorschlag von Amazon mit dem gleichnamigen Titel. Das finde ich enttäuschend, gewünscht hätte ich mir etwas Persönlicheres. Vielleicht eine Begrüßung der anonymen Selbsthilfegruppe geschiedener Männer, mit den Worten „Hey, willkommen im Club, wir treffen uns jeden Donnerstag um Acht im Wirtshaus zur Au“. Am Buch habe ich kein Interesse, weshalb ich mich von der Ehe abwende und es nun mit dem Sinn des Lebens versuche. Ergebnis: Auf Platz 1 und 2 finden sich zwei Artikel der Zeitung Die Welt. Ich wähle den zweiten mit dem Titel „Eigentlich ganz einfach: Das ist der Sinn des Lebens“, von Ulrich Walter. Innerlich danke ich Google für die Geschwindigkeit, mit der meine Frage beantwortet wurde. Ganze 0,46 Sekunden benötigte die Suchmaschine, währenddessen ich schon seit Jahrzehnten ergebnislos nach einer Antwort forsche.

Der Verfasser des Artikels sät gleich zu Beginn Zweifel an der Fragestellung, denn diese, so meint er, setze implizit die Prämisse voraus, dass es einen Sinn des Lebens gäbe und falls ja, welcher das wäre? Und dies, so der Autor, führe zur Gegenfrage, ob denn das Leben notwendigerweise einen Sinn haben muss? An dieser Stelle wird mir klar, dass wo der Sinn aufhört der Wahnsinn beginnt.

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