David Gaffney, Singer-Songwriter aus Jersey, gewann 2019 den Europäischen und den Deutschen Song Writing Award. Ein Gespräch über den Tiefsinn von Musik und eine große Portion Glück.

München Anfang März, es herrscht noch der Sturm vor der dann auferlegten Ruhe, die München, Deutschland und die ganze Welt für die kommenden Wochen heimsuchen wird. Ich treffe Davids Frau Julia, mit der ich einst die Schulbank teilte. Ich trinke Kaffee, sie stillt ihr Neugeborenes. Gegen Mittag kommt David mit seinem Sohn, den er gerade in den Kindergarten eingewöhnt. Bevor das Interview starten kann, muss David für das Mittagessen einkaufen. Dann ist es soweit, wir nehmen Platz in einem gemütlichen Arbeitszimmer, das an einen Wintergarten erinnert. Die Luft ist kalt, der Heizlüfter brummt. Ich bin sehr gespannt zu erfahren, wie David zur Musik gekommen ist.

David, war es schon immer dein Traum, Musik zu machen?

Mit 13 Jahren hatte ich zum ersten Mal die Gitarre in der Hand. Dann ging es los, ich habe mit Freunden in Bands gespielt und schon sehr früh Songtexte geschrieben. Das fiel mir immer leicht. Später bewarb ich mich bei Musikschulen und erhielt gutes Feedback. Da ich aber aus Jersey komme, wurde ich als internationaler Student behandelt und hätte sehr hohe Gebühren zahlen müssen. Ich bekam kein Stipendium, anders als Studenten, die direkt aus England kamen. Da fühlte ich mich zum ersten Mal etwas hilflos. Ich schnappte meine Gitarre, bin raus auf die Straße, habe Musik gemacht und mir gedacht, ich werde es alleine schaffen. Ich habe nicht geahnt, was für ein langer Weg das werden würde.

Wer hat dich unterstützt?

Meine Eltern haben mich immer unterstützt. Mit 18 Jahren gingen die meisten meiner Freunde zur Uni und ich wollte Rockstar werden. Das mag für einige schon ziemlich verrückt geklungen haben. Ich hatte sehr gute, enge Freunde, die mit mir Klartext geredet und gesagt haben: Überleg dir das gut. Es war auch ein recht egoistischer Weg. Ich spielte in London auf der Straße und bin einfach bei meinen Freunden aufgekreuzt, weil ich einen Platz zum Schlafen brauchte. Sie studierten, aber es war trotzdem kein Problem für sie, das war eine starke Kameradschaft. Ich bewundere meine Freunde, dass sie diese Phase meines Lebens mit mir durchgemacht haben.

Ein anderer Job kam für dich nie in Frage?

Mein Leben war schon immer Musik. Es war das Einzige, worin ich wirklich gut war und was mir leichtfiel. Manche Leute haben eine Affinität zu Zahlen oder sind sehr gut in Sport. Das war bei mir nicht so. Als ich mit 16 auf der Bühne stand, meine Freunde zu meinen Konzerten kamen, war mir klar, das ist mein Ding. Ich habe nie darüber nachgedacht, die Gitarre an den Haken zu hängen und mir einen anständigen Job zu suchen. Im Gegenteil. Für mich war immer klar, dass ich auf der Bühne stehen will vor einem großen Publikum. Das habe ich mir Jahre lang so ausgemalt.

Das hat für dich immer Sinn gemacht?

Es war mir irgendwie in die Wiege gelegt. Manche Leute fragten mich: Wie schaffst du es auf der Straße zu spielen oder vor Leuten auf einer Bühne zu singen? Ich war nervös und immer voller Adrenalin. Dieses Gefühl auf der Bühne zu stehen, das kann man nicht kaufen. Zuerst fühlt es sich an wie das Ende der Welt und im nächsten Augenblick ist es fantastisch.

Musiker David Gaffnery auf der Bühne beim Songslam im Milla

David Gaffney auf der Bühne des Münchener Clubs Milla. Im Februar 2020 gewann er den Milla Song Slam.

Welchen tieferen Sinn hat Musik machen für Dich?

Ich brauche die Bühne nicht, um mich auszudrücken, es geht mir mehr um diese Energie. Von einer Bühne aus offen und laut zu einem Publikum zu singen ist Befreiung. Bei anderen Emotionen auszulösen gibt mir viel Sinn. Als ich auf der Straße Musik gemacht habe, hatte ich dieses Erlebnis fast jede Nacht. Zum Beispiel kam ein Pärchen vorbei, blieb stehen und umarmte oder küsste sich. Manchmal hat mir jemand einen Zettel mit einer Nachricht hinterlassen, so was wie: „Ich hatte einen echt schrecklichen Tag, du hast ihn gerettet.“

Finden sich diese Emotionen in deinen Songtexten wieder?

Bei manchen Songs entstehen bei mir selbst sehr starke Emotionen. Ich denke an Momente aus meiner Jugend oder Kindheit zurück, an Leute von früher und merke, dass ich mich wieder bei jemandem melden oder mich entschuldigen sollte. Die Songs sind für mich auch eine Art Geständnis. Ich danke zum Beispiel auch meinen Freunden in den Songs. Vielleicht auf eine poetische Weise. Es ist einfacher, in einem Song jemandem zu sagen, dass man ihn liebt, als wenn man sich gegenübersitzt.

Letztes Jahr hast du zusammen mit 2 Bandmitgliedern den Europäischen und anschließend den Deutschen Song Writing Contest gewonnen. Wie kam es dazu?

Wir sind ein starkes Trio, Martin, Mona und ich. Wir ergänzen uns sehr gut. Ich bin sehr dankbar, dass sich unsere Wege gekreuzt haben. Wir haben uns in Berlin auf einer Party unterhalten und gemerkt, dass wir viel gemeinsam haben. Wir wollten etwas zusammen machen und waren uns einig, dass es eine ernste Sache ist, nicht nur ein Hobby. Wir sind mit einem guten Gefühl zu diesen Songcontests gefahren und haben tatsächlich gewonnen – und das, obwohl das Album noch nicht veröffentlicht war, nur ein Song bis dahin.

Wie geht es jetzt weiter?

Das Album ist fertig, die Songs liegen in einem Ordner und warten. Wir sind jetzt in Kontakt mit verschiedenen Leuten. Wir könnten die Musik auch auf Spotify veröffentlichen, aber das ist ein sehr harter Weg, denke ich.

Du hast einen 3-jährigen Sohn und bist vor kurzem zum zweiten Mal Vater geworden. Was hat sich dadurch verändert?

Mit der Familie ist es wie Yin und Yang. Manchmal denke ich, dass ich für nichts Zeit habe. Rückblickend habe ich aber in den letzten Jahren mehr geschafft als je zuvor. Als mein Sohn Ruben zur Welt kam, gab mir das eine Stabilität, die ich bis dahin gar nicht kannte. Es hat mich unglaublich motiviert und mir Selbstvertrauen gegeben in Allem, was ich tue. Wenn ich meinem Sohn nicht zeigen kann, wie man mit beiden Beinen auf dem Boden steht, wer soll es dann tun? Früher hatte ich hin und wieder depressive Phasen, damit kann ich jetzt viel besser umgehen. Die Familie macht mich stärker.

Der egoistische Trip deiner Jugend ist zu etwas sehr Sinnvollen geworden?

Ja, das ist verrückt. All die Jahre war ich wie getrieben und war sehr destruktiv. Mit 22 war ich kurz vor dem Zusammenbruch, ich war sehr abgemagert. Ich habe sehr viel aus dieser Erfahrung gelernt. Ich glaube, jetzt gibt es keine Situation mehr, die mich aus der Bahn werfen kann. Einmal, als ich auf der Straße spielte, wurde ich angegriffen. Damals wusste ich nicht, wie ich damit umgehen soll, heute weiß ich es. Ich bin jetzt stärker als je zuvor, die Musik ist besser als je zuvor.

Braucht es dafür auch Glück?

Definitiv, eine große Portion Glück. Ich glaube, meine persönlichen Erfolge basieren letztendlich auf Glück. Die Arbeit, die ich reinstecke, führt zu diesem Glück. Es passiert nie auf dem geradlinigen Weg. Zum Beispiel hat mich die zufällige Begegnung mit Meret Becker nach Deutschland geführt. Ich stand um halb 3 Uhr in der Früh in Liverpool auf der Straße und spielte. Da kam Meret Becker vorbei mit ihrer Tochter und lud mich ein nach Berlin. Ich sang in ihrer Band und war 4 Jahre in Berlin. Ich traf meine Frau Julia in Berlin, mein Sohn ist dort geboren. Jetzt bin ich in München und gerade kam meine Tochter zur Welt. Was das für ein Glück ist, das kann man nicht messen, das ist einfach total verrückt.

Danke David, für Deine Zeit!

Zur Person:

David Gaffney, 32, geboren auf Jersey, der Blumeninsel im Ärmelkanal unter britischem Kronbesitz. Nach der Schule spielt er als Straßenmusiker unter anderem in Liverpool und London. Durch Zufall trifft David auf die deutsche Schauspielerin und Sängerin Meret Becker, als er nachts in Liverpool auf der Straße spielt. Meret Becker lädt ihn ein nach Berlin, er begleitet sie als Sänger in ihrer Band. 2018 gründet er mit Martin Bach und Mona Kairies eine eigene Band. Die erste Single „Raise the Bar“ wurde im September 2019 veröffentlicht. Mehr Infos zu David Gaffney gibt es auf Facebook.

Bild von David Gaffney Musiker

David Gaffney

Fotos auf dieser Seite: Mario Gschneidner; Marcus Engler

Aus dem Englischen.

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