Auf einem Flohmarkt waren sicher die meisten schon einmal. Dort gibt es allerlei Gebrauchtes. Doch ein Besuch auf dem Flohmarkt kann mehr: aufklären, amüsieren und aufrütteln. Glauben Sie nicht? Die Reportage gibt Aufschluss.

Es ist Samstagabend um 17 Uhr. Die Tür zum Nacht-Flohmarkt öffnet sich. In der gut ausgeleuchteten, wohlig warm temperierten Halle tummeln sich bereits die ersten Besucher. Eine Stunde später ist die Halle, so groß wie eine 3fach-Turnhalle, gut gefüllt.

An den rund 150 Verkaufsständen gibt es nichts, was es nicht gibt: Privat angesammelten Trödel, Seltsamkeiten, Klamotten, Schmuck, Accessoires, Nützliches und Unnützes. Von der Hintergrundmusik beschwingt und gut gelaunt schlendern die Besucher durch die Reihen. Neben dem Familienvater, der Oma im 68er Jahre-Look, dem pickeligen Teenie begegnet man Student*innen und Bankerinnen im Kostüm.

Zu den Klängen von „Diner 59er“, einer 1950er-Jahre Coverband, die sich auf einer Empore inmitten von Sitzgelegenheiten platziert hat, wird gehandelt und gefeilscht.

Rebuy: Kleidungsstücke aus zweiter Hand

Eine junge Frau Anfang zwanzig nimmt ein Kleid von der Stange und sucht vergeblich nach einer Möglichkeit für die Anprobe. Von ihrem Freund durch ein großes Strandtuch vor neugierigen Blicken geschützt, streift sie es schnell über: „Sitzt wie angegossen und dieses tolle Muster.“ Die Verkäuferin hebt den Blick und erwidert: „Ja, dieser Vintage-Stil hat mir auch besonders gut gefallen.“ „Passt es dir nicht mehr, oder warum willst du es hergeben?“, möchte die Interessentin wissen. „Ich bin Studentin, München ist teuer und so trenne ich mich ab und an von alten Lieblingsstücken, um mir auch selbst mal wieder etwas Neues kaufen zu können“, erklärt die Verkäuferin. „Ja, das ist auch der Grund warum wir hier sind: um günstig an schöne Kleidung zu kommen“, stimmt die junge Frau zu. Einig über den Preis wandern Ware und Geld über den Verkaufstisch. Beide, die junge Frau und die Studentin, machen ein zufriedenes Gesicht.

Schaubild von Greenpeace zum Kleidungsbestand in Deutschland bei 18-69 jähringen

Kurzlebigkeit bestimmt den Kleiderschrank | www.greenpeace.de | Andreas Klammt

Handeln will gelernt sein

Am Verkaufsstand gegenüber wird dagegen noch verhandelt. Das Stück der Begierde, ein versilbertes, englisches Teeservice aus dem 19 Jahrhundert, soll zwar den Besitzer wechseln, aber nicht zu jedem Preis. „Eigentlich wollte ich dafür 55 Euro. Ihnen gebe ich es für 45 Euro“, so der Verkäufer, der durch seine Wortgewandtheit einen professionellen Eindruck macht. „Das ist nett, aber mehr als 30 Euro wollte ich dafür nicht ausgeben“, erwidert eine ältere Dame mit grauen, zu einem Dutt gebundenen Haaren. Nach einer Weile und zähem Ringen, einigen sich beide auf 35 Euro. Verhandeln will gelernt sein!

Wieso heißt es eigentlich Flohmarkt?

Im nächsten Gang sitzt ein kleines Mädchen zwischen zwei mit Kleidungsstücken voll belegten Tapeziertischen auf einem Kissen am Boden. Es lauscht interessiert dem Gespräch zwischen seiner Mutter und einer alten Dame, die bei Ihnen am Tisch steht und einen roten Strickrock betrachtet. „Ja, wissen Sie denn eigentlich, woher der Name „Flohmarkt“ kommt?“, erkundigt sich die alte Dame lächelnd. Die Mutter des Mädchens kräuselt die Stirn, überlegt kurz und schüttelt dann den Kopf.

Repair: Reparieren statt wegwerfen

Direkt daneben nimmt das Verkaufsgespräch einen anderen Verlauf. „Ich möchte zwar durch den Flohmarktverkauf reparierter Elektroartikel ein Zeichen gegen die Verschwendung von Ressourcen und unsere Wegwerfgesellschaft setzen“, erwidert eine zierliche aber robust wirkende Frau Anfang 40 mit braunen, kurzen Haaren, „aber herzuschenken habe ich trotzdem nichts!“ Verärgert zieht sie dem verdutzt drein blickenden jungem Mann das Smartphone aus der Hand, legt es zurück an seinen Platz und widmet sich einem anderen Interessenten.

Reduce: Weniger ist mehr

24,7 Kilo Elektrogeräte kauft jeder Bundesbürger im Durchschnitt pro Jahr
„Während der Handel mittlerweile mehr als zwei Millionen Tonnen Elektrogeräte pro Jahr verkauf, werden über ihn jährlich nur rund 100.000 Tonnen Altgeräte zurückgenommen“, erklärt Philipp Sommer, Stellvertretender Leiter des Bereichs Kreislaufwirtschaft bei der Deutschen Umwelthilfe (DHU).

9,12 kg Elektroschrott verursacht jeder Bundesbürger im Durchschnitt pro Jahr
2017 wurden in Deutschland, nach Medlung des Umweltbundesamtes, etwa 754.751 Tonnen Elektroaltgeräte aus privaten Haushalten gesammelt. Das entspricht 9,12 Kilogramm pro Einwohner und Jahr.

Die Mischung macht`s

Vorbei an der geöffneten Seitentür am Ende des letzten Ganges strömt von draußen Essensduft herein. Asiatische, afrikanische und europäische Aromen vermischen sich zu einer undefinierbaren, aber angenehmen Geruchswolke. Hinter der Tür, direkt vor der Flohmarkthalle, sind einige Street-Food-Stände und Food-Trucks zu einem Halbkreis aufgestellt. In ­der Mitte gibt es Stehtische und auch ein paar Sitzgelegenheiten mit Abstelltischen. Beim Blick in die Runde wird schnell klar, was sich alles hinter den Gerüchen verbirgt: Jiaozi – kleine gefüllte chinesische Teigtaschen, marokkanische Tajine – ein im Lehmtopf zubereiteter Eintopf, Fish`n Chips und viele weitere Leckereien warten auf die hungrigen Flohmarktbesucher.

Und wer zu guter Letzt alles noch einmal zusammen genießen möchte, nimmt sich sein Essen mit in die Halle, macht es sich mit den „neuen, alten“ Lieblingsstücken auf einem der ausrangierten Sofas gemütlich und lässt den Abend entspannt bei Livemusik ausklingen. Wo? Im Backstage in München-Neuhausen. Die Mischung macht`s.

Weiterer Beitrag von Claudia Strohmayer