Batman in Bayern

 

Ein Bericht von Denise Mackrodt

 

Bild von Vampiren mit Reißzähnen und ein Batman-Comic in der Ausstellung des Fledermauszentrums Schloss Thurn
Vampire und Batman – häufige Assoziationen beim Gedanken an Fledermäuse. (Ausstellungsobjekt im Fledermauszentrum Schloss Thurn)

Seit 2015 gibt es das „Fledermauszentrum Schloss Thurn“ im fränkischen Heroldsbach. Ein Informationszentrum für alle, die mehr über Fledermäuse in Deutschland erfahren wollen. Im Eckturm von Schloss Thurn lebt die Art „Großes Mausohr“. Jedes Jahr im Frühjahr kommen 100 bis 300 Weibchen hierher, um ein bis maximal zwei Junge auf die Welt zu bringen und aufzuziehen. „Die Schloss-Besitzer sind große Freunde ihrer Fledermäuse“, erzählt Friedrich Oehme, Geschäftsführer des BUND Naturschutz Forchheim, der ehrenamtlich Führungen durch die Ausstellung des Fledermauszentrums macht. „Sie wollen Besuchern die Möglichkeit geben, mehr über diese bedrohten Tiere zu erfahren.“

Fledermäuse in Bayern?

Dass es Fledermäuse in Bayern gibt, wissen noch immer nicht alle, erklärt Fledermausexperte Matthias Hammer, Leiter der Koordinationsstelle für Fledermausschutz Nordbayern, an der Universität Erlangen. „Unsere weitgereiste Gesellschaft erlebt Fledermäuse häufig woanders. In Italien über dem Pool oder in Höhlen in Thailand. Aber nicht daheim bei uns.“ Dabei seien Fledermäuse auch ein sehr kleines Stück unserer Heimat. Und sie sind bedroht.

In Bayern leben 25 verschiedene Fledermausarten. Neben dem Großen Mausohr gibt es sehr kleine, wie die Streichholzschachtel große Zwergfledermaus, oder große, wie der Abendsegler. Mit seiner Flügelspannweite von knapp einem halben Meter kann er in der Dämmerung schon mal mit Schwalben verwechselt werden. 14 dieser Arten stehen aktuell auf der Roten Liste für gefährdete Tiere in Bayern. Die Große und die Kleine Hufeisennase gelten sogar als „vom Aussterben bedroht“. Und das, obwohl die Fledermaus schon 1935 im Reichsnaturschutzgesetz als „Forstnützling“ erkannt wurde. Heute sind in Deutschland alle Fledermausarten und ihre Quartiere rechtlich geschützt. Trotz dieses Schutzes kam es in den 1950er und 1960er Jahren zu einem dramatischen Einbruch der Fledermauspopulationen. „In nur zehn Jahren ist die Zahl der Tiere um 90 Prozent gesunken“, erzählt Oehme, vom BUND Naturschutz Forchheim. Experte Hammer berichtet von einer Höhle in Nordbayern, in der sich die Zahl an Fledermäusen in 15 Jahren von 200 auf nur acht Tiere reduziert habe.

Heute wird der Schutz der Fledermäuse in Bayern von der, 1985 gegründeten, Koordinationsstelle für Fledermausschutz überwacht, für die Hammer arbeitet. Sie dient als Fachberatungsstelle für all jene, die Fledermäuse in ihren Kellern oder Dachstühlen beherbergen, sowie zur Koordination der vielen ehrenamtlichen Fledermausschützer. Denn: „Der Fledermausschutz in Bayern steht und fällt mit dem Ehrenamt“, so der Experte.

Warum überhaupt schützen?

Eine Fledermaus der Art „Braunes Langohr“
Eine Fledermaus der Art „Braunes Langohr“
Quelle: Dr. Andreas Zahn, Koordinationsstelle für den Fledermausschutz in Südbayern

Einer dieser 300 Ehrenamtlichen in Bayern ist Friedrich Oehme. „Unsere Umwelt ist wie ein riesiges Mosaik, und die Fledermäuse sind ein kleines Steinchen darin“, erklärt er. „Wenn wir unsere Natur, unsere Heimat, schützen wollen, muss dieses Mosaik intakt bleiben. Fehlt nur ein kleiner Stein, kann es zu unerwarteten Entwicklungen kommen, sodass andere die Oberhand gewinnen oder Tiergruppen eben auch ganz verloren gehen.“

Die Frage nach dem „Warum schützen?“ wird auch Experte Matthias Hammer immer wieder gestellt. Denn es gibt auch Menschen, die Fledermäuse nur als Ungeziefer wahrnehmen. Am liebsten würde er auf diese Frage nicht antworten: „Sie sind da. Punkt.“ Die Tiergruppe gibt es seit 50 Millionen Jahren. Mit weltweit 1000 verschiedenen Arten. Die Tatsache, dass sie schon so lange und erfolgreich existieren, beweise schon, dass sie wichtige Funktionen, zum Beispiel in der Nahrungskette, haben.

„Fledermäuse sind die Nachtschicht der insektenfressenden Vögel des Tages“, sagt Experte Hammer. „Was die Schwalbe, der Mauersegler oder das Rotkehlchen tagsüber machen, also ihre Brut mit Insekten füttern, das macht die Fledermaus in der Nacht.“ Heimische Fledermäuse ernähren sich ausschließlich von Insekten und anderen Gliedertieren, wie zum Beispiel Spinnen. Eine Zwergfledermaus fängt bis zu 3000 Stechmücken pro Nacht. Und das kommt auch den Menschen zugute. „Denn der Fledermaus-Kot, den man auf der Fensterbank findet, besteht aus den Stechmücken, die nicht mehr stechen können“, so der Fledermausexperte. „Und eine Blaumeise, die ihre Jungen mit Raupen füttert, würde man doch auch nicht einfach totschlagen.“ In der Natur geht es aber nicht nur ums Fressen, sondern auch ums Gefressen werden. Natürlich ist die Fledermaus nicht nur Feind der Insekten, sondern hat selbst auch Feinde.

 

Ultraschall-Laut der „Großen Hufeisennase“ Quelle: www.fledermausschutz.ch

Sozial-Laut des „Großen Abendseglers“ Quelle: www.fledermausschutz.ch

 

Im Spiegel sieht sich der größte Feind der Fledermaus

Auf seinem Rundgang durch die Ausstellung ist BUND Naturschutz-Mitglied Oehme inzwischen genau bei diesen Feinden angekommen. Die Bilder zeigen Schleiereule, Waldkautz und Baummarder. Tiere, die Fledermäuse fangen, um sie selbst zu fressen oder sie als Nahrung an ihre Jungen weiterzugeben. Dies sei auch eine Funktion der Fledermäuse im heimischen Ökosystem – Sie sind Futter.

Dann plötzlich ein Spiegel. Hier soll sich der Besucher selbst in die Augen schauen, denn der Mensch gilt als der größte Feind der Fledermaus.

„Umweltgifte sind eine Bedrohung für Fledermäuse“, sagt Experte Hammer. Holzschutzmittel, wie PCP und Lindan wurden in die Holzbalken der Dachböden gepumpt, die von den Fledermäusen als Sommerquartiere genutzt werden. Oder auch Insektenschutzmittel. „Wenn man als Fledermaus 3000 leicht vergiftete Mücken pro Nacht frisst, darf man sich nicht wundern, dass man Gifte im Körper anreichert“, sagt er. Fledermäuse speichern, wie der Mensch, die Gifte in ihrem Fettgewebe. Dieses benötigen sie sowohl während des Winterschlafs, um davon zu leben, als auch beim Säugen der Jungen im Frühsommer. „Die fettreiche Muttermilch enthält diesen Giftcocktail. Und der Fledermaussäugling bekommt ihn auf diese Art gleich in seinen ersten Lebenstagen verabreicht.“

Urschreitherapie, Höhlenwanderungen und Sanierungen

Eine Fledermaus der Art „Braunes Langohr“ an der Höhlendecke im Winterquartier
„Braunes Langohr“ im Winterquartier
Quelle: Matthias Hammer, Koordinationsstelle für den Fledermausschutz in Nordbayern

Das Verschwinden ihrer Quartiere ist eine weitere Bedrohung für die kleinen Jäger. Von Oktober bis April halten Fledermäuse in Deutschland Winterschlaf. Hierfür suchen sie vor allem Keller oder Höhlen auf. Doch immer weniger Keller stehen den Fledermäusen als Überwinterungsquartier zur Verfügung, da sie vom Menschen oft nicht mehr gebraucht werden, verfallen oder zugeschüttet werden. „Und in den über 1000 Höhlen der Fränkischen Schweiz herrscht leider zum Teil reger Höhlentourismus“, erzählt Experte Hammer. Höhlenwanderungen mit Fackeln, Urschreitherapien, Selbsterfahrungsgruppen in Höhlen – all das könne man dort finden. Während die Fledermäuse also nur in Ruhe schlafen wollen, werden sie stattdessen vom Menschen vertrieben.

So wie auch aus den Kirchen, in denen Fledermäuse oft in Dachstühlen den Sommer verbringen. Finden dort im Sommer Sanierungen statt, stirbt der Nachwuchs eines ganzen Jahres und die erwachsenen Tiere müssen sich ein neues Zuhause suchen. Fledermausschutz-Koordinator Matthias Hammer: „Wenn das so weiter geht, wird die Insel immer kleiner, auf der die Fledermäuse bei uns noch leben können.“

Dabei sei es nicht schwer, Fledermäusen zu helfen. Kleine Achtsamkeiten wie Sanierungen richtig planen, Höhlen im Sommer besuchen oder Fledermausnistkästen im Garten installieren, genügen. Oft reiche auch schon reines Nichtstun und Duldung, erklärt Hammer. „Hier können wir vor unserer eigenen Tür Artenschutz betreiben.“

Der Flederomat stammt aus der Urzeit

Friedrich Oehme, vom BUND Naturschutz Forchheim, steht vor dem Flederomat im Fledermauszentrum Schloss Thurn
Friedrich Oehme, vom BUND Naturschutz Forchheim, vor dem Flederomat.

BUND Naturschutz-Mitarbeiter Friedrich Oehme stellt die letzte Station der Fledermaus-Ausstellung vor: Ein großes elektronisches Gerät in einer Glasvitrine. 14 Kilogramm schwer, graue Metallverschalung, gelbliche Tragegurte: Der Flederomat. „Ein Relikt aus der Urzeit. Der experimentelle Urprototyp eines Batcoders“, schmunzelt Oehme. Mit diesen Geräten waren frühe Fledermausforscher auf der ganzen Welt unterwegs, um die Ultraschalllaute der Fledermäuse für den Menschen hörbar zu machen. Heute nutzt Friedrich Oehme die deutlich handlicheren Nachfolgegeräte alljährlich bei seinen Führungen auf der „Forchheimer Batnight“. Hier geht er mit Kindern nach Einbruch der Dunkelheit auf Fledermausjagd, und bringt ihnen die Lebensart der Tiere näher. „Kinder für Fledermäuse zu begeistern ist relativ leicht.“

Das kann auch Fledermausexperte Matthias Hammer bestätigen. „Bei Kindergartenkindern gibt es zwei interessante Tiergruppen. Dinosaurier und Fledermäuse“, meint er. „Und dann sage ich immer, Fledermäuse haben einen entscheidenden Vorteil: Sie sind noch nicht ausgestorben. Die könnt ihr immer und jederzeit beobachten. Ihr müsst nur mit euren Eltern an den Weiher gehen.“

Doch auch Erwachsene würden der Faszination Fledermaus verfallen. „Eine Dame sagte mal zu mir: Sie müssen mal bei Vollmond durch blühende Kirschgärten gehen. Wenn dann im Mondlicht die Fledermäuse durch die Kirschen fliegen. Es ist unglaublich. Sie könne sich nicht vorstellen, dass es irgendeinen Menschen gibt, der bei dieser Beobachtung nicht dahin schmilzt.“

 

Mehr Informationen:

Koordinationsstelle für Fledermausschutz in Nordbayern

Arbeitskreis Fledermaus – BUND Naturschutz Forchheim

Fledermauszentrum Schloss Thurn

 

Mehr zur Autorin:

Porträt Denise klein

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