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Martin Mosebach – Die 21: Eine Reise ins Land der koptischen Märtyrer

7. Mai 2018

Martin Mosebach – Die 21: Eine Reise ins Land der koptischen Märtyrer

21 schwarz vermummte IS-Kämpfer köpften 21 koptische Christen in der orangefarbenen Kleidung der Guantanamo-Häftlinge. Vor jeder einzelnen Hinrichtung wurden die 21 Kopten aufgefordert, ihrem Glauben abzuschwören. Jeder einzelne lehnte das ab und wählte den Tod.

Fast unbemerkt von der westlichen Öffentlichkeit ging im Jahr 2015 eine schaurige Meldung durch die Medien: Der sogenannte „islamische Staat“ (IS) hatte in Libyen eine Gruppe ägyptischer Wanderarbeiter ermordet. Medienwirksam durch ein schockierendes Video dokumentiert, wurde der Tod von zwanzig koptischen und eines schwarzafrikanischen Christen aus Ghana via Youtube weltweit greifbar. Die Terroristen haben sie gerade deshalb vor laufender Kamera ermordet, weil sie als gläubige Christen nicht bereit waren, ihren Glaubensüberzeugungen abzuschwören. Damit sollte ihr Tod zu einem unmissverständlichen Zeichen, zu einem politisch-religiös wirksamen Symbol islamistisch motivierter Gewalt gegenüber dem „Volk des Kreuzes“ werden.

Im Frühjahr 2017 reiste dann der Frankfurter Romancier Martin Mosebach nach Ägypten. Mosebach, ein leidenschaftlicher Reisender und gläubiger katholischer Christ, kam nach Ägypten ins Nildelta. Dort traf er die Familien jener Männer, die zwei Jahre zuvor von den Terroristen am Ufer des Mittelmeeres ermordet worden waren. In den Empfangszimmern dieser ägyptischen Bauernfamilien konnte er ein intensives Bild von einer zutiefst von christlichen Glaubensvollzügen durchdrungenen Lebensweise gewinnen. Der Autor führt uns mit seinem Buch in eine christliche Welt, die durch wirkmächtige Ikonen, Reliquien und Heilige geprägt ist. Er schildert uns eindrücklich eine den gesamten Christgläubigen ergreifende alltägliche Frömmigkeit, denn für die Kopten ist ihre gesamte Lebenswelt nur eine Spiegelung und Erfüllung der Heiligen Schrift.

Das Bild zeigt ein byzantinisches Kreuzfresko. Bildunterschrift: Eine Erinnerung an christliche Gemeinden in Kappadokien - Ein Kreuz-Fresko, wo der christliche Glaube bereits verschwunden ist.
Eine Erinnerung an christliche Gemeinden in Kappadokien – Ein Kreuz-Fresko, wo der christliche Glaube bereits verschwunden ist.

Wer sind die koptischen Christen?

Der Überlieferung nach wurde das Christentum vom heiligen Evangelisten Markus zwischen  50 und 60 nach Christus Jahren nach Ägypten und zwar zuerst nach Alexandria gebracht. Vor dort aus verbreitete sich das Christentum schnelll auch in die ländlichen Regionen Ägyptens. Trotz der Christenverfolgungen im römischen Reich fand der christliche Glaube schnell neue Anhänger. Unterdrückung und Verfolgung zu ertragen heißt deshalb für die Kopten, das Kreuz Christi zu tragen. Sie nennen sich aus diesem Grund auch eine »Kirche der Märtyrer«.

Bereits Ende des 3. Jahrhunderts war die Mehrheit der Ägypter Christen geworden. Die so entstandene koptische Kirche ist damit die älteste Kirche Afrikas und eine der ältesten christlichen Gemeinschaften der Welt. Die Kopten gehören zur  altorientalisch-orthodoxen Kirchenfamilie. Diese hat die Formulierungen des Vierten Ökumenischen Konzils von Chalkedon im Jahre 451 über die Göttlichkeit und Menschlichkeit in Jesus Christus nicht mitgetragen. Bis heute halten die Kopten halten deshalb im Gegensatz im Gegensatz zur orthodoxen und katholischen Kirche und den aus der evangelischen Reformation entstandenen Kirchen an der miaphysitischen Christologie fest. Das christliche Bekenntnis, dass Jesus Christus sowohl wahrer Mensch, als auch wahrer Gott ist, bekennt die Kopten mit den übrigen altorientalischen Kirchen in folgender Weise: »Er ist vollkommen in Seiner Gottheit; Er ist vollkommen in Seiner Menschheit; aber Seine Gottheit und Menschheit wurden miteinander verbunden in einer Natur, die Natur des fleischgewordenen Wortes Gottes.« Nach der theologischen Auffassung der Kopten von der einen Natur des fleischgewordenen Wortes Gottes haben sich bei der Menschwerdung Gottes die göttliche und menschliche Natur in Jesus Christus vereinigt.

Die heute fast nur noch im koptischen Gottesdienst verwendeten koptische Sprache ist die letzte Sprachstufe der alt-ägyptischen Sprache. Sie wird mit griechischen Lettern geschrieben, ergänzt durch acht Zusatzzeichen, die aus der demotischen Schriftform des Ägyptisch-Hieroglyphischen übernommen wurden. Das koptische Alphabet umfasst einunddreißig Buchstaben.

Das Bild zeigt ein Ikonen- Mosaik Gottesmutter Salus Populi Romani auf einer Ziegelwand.
Mosaik-Ikone der Gottesmutter „Salus Populi Romani“.

Martin Mosebach ist ein intelligenter und zugleich anteilnehmender Beobachter. Er hat aufwendig recherchiert, formuliert eindringlich und betrachtet genau. Als katholischer Intellektueller beschreibt er das Gesehene immer auch aus einer eindeutig christlichen Sicht. Mosebach möchte durch eingewobene historische und theologische Exkurse ein Verständnis für eine zutiefst altchristlich geprägte Lebens- und Glaubenswelt erzeugen. Persönlich Erlebtes gießt er in eine aussagekräftige Sprache. Darin liegt der besondere Reiz und der erzählerische Mehrwert dieses bemerkenswerten Buches. Mosebachs Schilderungen und Erläuterungen einer für uns fremden orientalischen Lebenswelt und Kultur werden zugleich zum Spiegel und Gegenbild für die abendländischen Kirchen und die postchristliche säkularisierte Gesellschaft. Denn er zeigt den vom Denken der westlichen Moderne geprägten Lesern eine christliche Glaubensgemeinschaft, die sich seit der römischen Antike immer als eine Kirche der Märtyrer verstanden hat. Für deren Gläubige ist das irdische Leben nur „durch ein Eihäutchen von der himmlischen Sphäre geschieden“.

So setzt Martin Mosebach in Form einer sehr persönlich gehaltenen Reportage mit ungemeiner Sprachmacht diesen 21 glaubensstarken ägyptischen Christen ein besonderes dokumentarisches Denkmal. Zugleich setzt er damit auch ein Hoffnungszeichen für eine zunehmend zwischen Diesseitigkeit und Materialismus zerriebene abendländische Christenheit.

Das Bild zeigt ein modernes Kreuz im koptischen Stil
Modernes Kreuz im koptischen Stil.

Was macht koptische Christen aus?

Der Höhe- und Mittelpunkt der koptischen Frömmigkeit bildet die Feier der heiligen Eucharistie. In der koptischen Spiritualität wird die Feier der Göttlichen Liturgie als Teilhabe am Leib und Blut Christi also  als reale Teilhabe an der wahrhaften Gegenwart Jesu Christi im Sakrament und deshalb als der zentrale Ort der Heiligung im Leben der ägytischen  Christen erfahren.

Die eucharistische Liturgie dauert etwa 2 bis 3 Stunden. Die altägyptisch-koptische Sprache in der Feier Liturgie wird heute durch die jeweilige Landessprache ergänzt. In Ägypten ist dies Arabisch, in den koptischen Gemeinden in Deutschland jedoch inzwischen die deutsche Sprache. Die Feier der koptischen Liturgie ist nicht allein eine Sache des Klerus, sondern findet als öffentliches Gebet der ganzen Kirche unter aktiver Teilnahme des gesamten Kirchenvolkes, vor allem auch der Kinder statt. Die Kinder sind von klein auf in das religiöse Leben integriert, da sie unmittelbar nach der Taufe das Sakrament der Firmung empfangen und somit als vollwertige Mitglieder der Kirche auch an der heiligen Eucharistie teilnehmen dürfen.

Zur Frömmigkeit der koptischen Christen gehört die intensive Verehrung der Heiligen, insbesondere der Jungfrau Maria, ein ausgeprägtes Gebetsleben, bewußte Fasten- und Festzeiten, aber ebenso der aktive Einsatz und die Hilfe für den Nächsten, sowie ein intensives Familien- und Sozialleben und eine herzliche Gastfreundschaft.

Eine besondere Inspiration der koptischen Christen bildet ihr fester Glaube an die christliche Überlieferung, dass die Heilige Familie in Ägypten weilte. Nach der Geburt Christi waren das Christuskind, die Jungfrau Maria und der heilige Josef nach Ägypten vor der Verfolgung durch König Herodes geflohen, welcher dem Bericht des Matthäus-Evangeliums zufolge die neugeborenen Kinder in Bethlehem töten ließ. Aufgrund der Aussagen der heiligen drei Magier fürchtete er dort die Geburt eines neuen jüdischen Königs. (siehe Matthäus 2,13 ff).

Für die koptischen Christen ist der Aufenthalt der Heiligen Familie in Ägypten ein wichtiger Bestandteil ihres urchristlichen Glaubens. Durch die zeitweise Anwesenheit Christi wird Ägypten zu einem Teil des Heiligen Landes. Damit war Ägypten, in dem schon der Stammvater Josef als Amtsträger des Pharao und Moses als Prophet, Befreier und Heilsbringer der Israeliten gewirkt hatte, erneut Teil der Heilsgeschichte geworden. Nach der koptischer Überlieferung hat sich die Heilige Familie mehr als drei Jahre lang in Ägypten aufgehalten . Eine Reihe von Orten am Nil sind mit koptischen Überlieferungen verknüpft, die Anekdoten zum Leben und zu den Wundern Jesu erzählen. Bis heute erheben sich dort vielbesuchte koptische Wallfahrtsstätten.

Zur Kirchengemeinschaft der altorientalischen orthodoxen Kirchen, die bisher noch nicht in Kirchengemeinschaft mit den orthodoxen Kirchen der byzantinischen Tradition oder der katholischen und evangelischen Kirche stehen, gehören:

Die 21 koptischen Neo-Märtyrer in Lybien. Quelle: Privatphoto aus dem koptischen St.-Antonius-Kloster in Waldsolms-Kröffelbach in Deutschland.

Zahlen über die Kopten

Die Kopten sind die Gläubigen des alteingessenen Christentums in Ägypten.

Ihr Name geht über das arabische Wort قبط „al.qipt“, auf das griechische Αιγυπτοι „Aigyptioi“ zurück und bedeutet „Ägypter“.

In Ägypten leben heute rund acht Millionen koptisch-orthodoxe und etwa 200.000 koptisch-katholische Christen. Damit sind die Kopten die größte christliche Gemeinschaft im Nahen und Mittleren Osten. Weltweit wird die koptische Gemeinde auf rund 10 bis 17 Millionen geschätzt. Davon leben etwa 200.000 koptische Christen im Sudan.

Etwa ein Viertel aller Kopten lebt heute in der ägyptischen Hauptstadt Kairo (rund zwei bis drei Millionen im Stadtteil Schubra). Zahlreich sind die Kopten auch in den mittleren Nil-Gouvernements al-Asiut, al-Mina und Qina.

Oberhaupt der koptisch-orthodoxen Kirche ist Papst und Patriarch Tawardos II. Er ist der 118. Nachfolger des heiligen Markus auf dem Thron der Patriarchen von Alexandrien.

Eine Auswahl weiterführender Literatur:

  • Mosebach, Martin, Die 21. Eine Reise ins Land der koptischen Martyrer, Reinbeck bei Hamburg 2018

  • Brunner-Traut, Emma, Die Kopten: Leben und Lehre der frühen Christen in Ägypten, München 1993 (Neuauflage: Freiburg 2000).
  • Eaton-Krauss, Marianne u. Gawdat Gabra, The Illustrated Guide to the Coptic Museum and Churches of Old Cairo, Kairo u. New York 2007.
  • Kamil, Jill, Coptic Egypt: History and a Guide. (Revised Ed. American University in Cairo Press), Kairo 1990.
  • Brunner-Traut, Emma, Die Kopten: Leben und Lehre der frühen Christen in Ägypten, München 1993 (Neuauflage: Freiburg 2000).
  • Cannuyer, Christian, Coptic Egypt: The Christians of the Nile, London 2001.

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