Dossier Begegnung

Eine Begegnung mit der Alzheimer-Krankheit

Eine der häufigsten Demenzerkrankungen ist die Alzheimer-Krankheit. Das Gehirn erkrankt, Nervenzellen im Gehirn gehen zugrunde. Die Ursache hierfür ist bis heute nicht bekannt. Anne Köhler sprach mit Bianca Broda, Geschäftsführerin der Alzheimer Gesellschaft München e. V. (AGM) über Demenzerkrankungen.

Ein Interview von Anne Köhler

Frau Broda, wie erkennt man Demenzerkrankungen?
Eine Demenzerkrankung fängt bei jedem Menschen unterschiedlich an. Wenn jemand beginnt, sich Sorgen zu machen, ist dies nicht nur, weil er Telefonnummern oder Namen vergisst. Oft gibt es Einschränkungen im Alltag. Dinge, die immer geklappt haben, funktionieren irgendwie nicht mehr. Das macht den Betroffenen Angst.

Menschen mit Alzheimer und ihre Angehörigen stellen sich viele Fragen.

Menschen mit Alzheimer und ihre Angehörigen stellen sich viele Fragen.
Grafik: Anne Köhler

Mit welchen Einschränkungen kämpfen die Erkrankten?
Das ist abhängig davon, in welchem Krankheitsstadium sie sind. Wenn Betroffene beispielsweise in einem frühen Stadium merken, dass sie jemanden nicht mehr erkennen, ärgert sie das. Es macht sie sehr traurig und wütend. Sie spüren, dass sie etwas verlieren. Sie können sich zu Hause Merkzettel schreiben, mit Bildern und Namen von Personen. Sie machen sich sehr große Gedanken über dieses Thema. Sie würden es gerne vermeiden, aber das geht nicht.

Was können Angehörige tun?
Wenn die Demenzerkrankung weiter fortgeschritten ist, dann müssen es die Angehörigen aushalten, dass sie nicht mehr erkannt werden. Betroffene merken auf der Gefühlsebene sehr wohl, ob eine Person jemand Nahes, Zugewandtes ist, auch wenn sie den Namen oder die Zuordnung nicht mehr wissen. Die Angehörigen müssen sich Zeit geben, damit klarzukommen und auch ein paarmal schlucken.

Bei der Alzheimer-Krankheit erkrankt das Gehirn. Die Nervenzellen im Gehirn gehen zugrunde.

Bei der Alzheimer-Krankheit erkrankt das Gehirn. Die Nervenzellen im Gehirn gehen zugrunde.
Grafik: gemeinfrei

Was raten Sie Familienmitgliedern, die an ihre persönliche Belastungsgrenze stoßen?
Wir überlegen zusammen, was ein guter Weg für den Betroffenen und den Angehörigen ist. Wenn sich die Situation zu Hause zuspitzt, ist es wichtig, Entlastungsangebote zu nutzen, sich Hilfe zu holen. Nicht immer ist es sinnvoll, die Pflegesituation unbedingt zu Hause zu bewältigen. Es gibt Alternativen. Das kann eine Wohngemeinschaft, betreutes Wohnen oder ein Heim sein. Dann kann der Angehörige entspannter in die Einrichtung kommen und zwei oder drei Stunden zu Besuch bleiben.

Eine große Entlastung. Seit wann gibt es diese Möglichkeit?
Als die AGM vor fast 30 Jahren gegründet wurde, gab es für Betroffene und Angehörige keine Unterstützung von außen. Bestenfalls haben Betroffene eine Diagnose und Medikamente bekommen, aber sie waren sehr allein gelassen.

Und heute?
Die entscheidendste Veränderung für mich ist, dass die Menschen mit Demenzerkrankung in den Fokus gerückt sind. Früher wurde die Diagnose viel später gestellt, da war die Krankheit schon viel fortgeschrittener. Heute begleiten wir auch Menschen mit einer Diagnose, die noch mitten in der Gesellschaft sind, die zum Teil noch im Berufsleben stehen.

Welchen Schwierigkeiten begegnen einem Betroffenen im Alltag, wenn er alleine lebt?
Für Menschen, die allein leben und erkranken, ist die Situation ganz anders. Sie müssen viel Kraft und Mut aufbringen, um ihren Alltag allein weiter zu bewältigen. Ein allein lebender Betroffener ist an der Supermarktkasse immer in Stress geraten, weil ihm der Umgang mit Geld schwerfiel. Er hat immer sehr lange gebraucht. Wir haben dann im Rollenspiel geübt, wie er mit der Situation offen umgehen kann.

Geht er noch allein zum Einkaufen?
Die Erkrankten wollen ihr Leben so normal wie möglich weiterleben. Wenn sie immer eingekauft haben, dann würde ich das auch mit der Erkrankung weiterhin empfehlen.

Wenn Demenzerkrankte nicht mehr lesen können, hilft ein Bildereinkaufszettel.

Wenn Demenzerkrankte nicht mehr lesen können, hilft ein Bildereinkaufszettel.
Foto: Anne Köhler

Wie gut funktioniert das in der Praxis?
Es sollte kein Problem sein, wenn der Betroffene nur zwei von zehn Dingen mitbringt. Wenn Erkrankte nicht mehr lesen können, muss der Einkaufszettel anders geschrieben werden. Man kann zum Beispiel Bilder auf einen Zettel kleben. Es ist wichtig zu wissen, dass Menschen mit Demenz sich nicht anpassen können. Das Leben um sie herum muss sich anpassen.

Wann müssen Angehörige eingreifen?
Angehörige müssen einen Schutzmechanismus aufbauen und einen Rahmen schaffen, der es dem Betroffenen so lange wie möglich gestattet, selbstständig zu handeln, ohne sich selbst zu gefährden. Wenn Betroffene sich selbst oder andere Personen in Gefahr bringen, müssen Angehörige eingreifen.