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Der Bahnhof Märzfeld in Nürnberg-Langwasser.

Alternativer Medienpreis 2022 im Rückblick: Allen Seiten ein Gesicht geben

Die Gewinner: Der Alternative Medienpreis 2022 zeichnete Beiträge zum Klimawandel, über Waldbesetzungen, einen NS-Bahnhof, Familienclans sowie zur Online-Datenerfassung aus.

Sonst sitzt eine aufgeregt tuschelnde Menge im Fabersaal am Gewerbemuseumsplatz und fiebert den Preisverleihungen entgegen. 2022 warteten ein freundliches „Willkommen, geht gleich los“ im Chat und Hintergrundmusik von Martin Goldmann auf die Gäste an den Bildschirmen. Wie bereits 2020 und 2021 wurde der Alternative Medienpreis auch 2022 online an die Gewinner vergeben. 229 Bewerbungen hatte es in diesem Jahr in den Kategorien Macht, Geschichte, Vernetzung, Leben und Zukunft gegeben.

Pünktlich um 19 Uhr begrüßte Peter Lokk am 3. Juni 2022 das Publikum im Namen der Organisatoren,  der Nürnberger Medienakademie und der Stiftung Journalistenakademie. Nach 22 Jahren Alternativer Medienpreis und 151 bisher verliehenen Preisen wurden an diesem Abend zum 23. Mal Medienschaffende ausgezeichnet, die “kritisch, kompetent und kreativ berichten”, so Peter Lokk.

Heißer Scheiß – Klimadebatten und Bewegungen

Aus 71 Einsendungen in der Kategorie Macht hatte die Vorjury acht Beiträge nominiert. Der Podcast „Heißer Scheiß – Klimadebatten und Bewegungen“ des freien Radios Dreyeckland (RDL) und des Informationszentrums Dritte Welt gewann den Preis. Verantwortlich für das Projekt sind Martina Backes, Meike Bischoff, Adèle Cailleteau, Lukas Gebhard, Eva Gutensohn, Katja Manser, Antonia Vangelista und Lisa Westhäußer.

Heisser Scheiss - ein Podcast
Podcast Heißer Scheiss Foto: Freies Radio RDL NordSüdFunk

Abdi Nur stellte den Gewinnerbeitrag vor. In seiner Laudatio betonte Peter Welchering, dass die Gruppe an ihr Thema “ganz anders herangehe als wir das von konventionellen Medien gewohnt sind.” Im Interview erzählten zwei der Preisträgerinnen, Lisa Westhäußer und Martina Backes, dass sie in jeder Folge ein Gespräch mit Aktiven oder Expert*innen aus dem globalen Süden geführt hatten. Sie wollen daher folgerichtig auch in Zukunft Klima-Aspekte beleuchten, vorzugsweise in Krisenregionen.

Zeitgeschichte: Vom NS-Bahnhof Märzfeld ins Lager

In der Kategorie Geschichte wählte die Jury  aus 44 Einsendungen den Dokumentarfilm „Gegen das Vergessen – Der NS-Bahnhof Märzfeld“ von Valeska Rehm und Moritz Bogen aus der Medienwerkstatt Franken als Preisträger aus. Bei der Vorstellung des Projektes erfuhren die Zuschauer*innen, dass vom heutigen Lost Place in Nürnberg, dem Bahnhof Märzfeld, zur Zeit des  Nationalsozialismus viele Verfolgte, etwa Angehörige des Judentums oder Widerstandskämpfer, in osteuropäische Vernichtungslager und Ghettos transportiert wurden.

Der Bahnhof Märzfeld in Nürnberg-Langwasser.
Der Bahnhof Märzfeld in Nürnberg-Langwasser. Foto: Medienwerkstatt Franken

Journalistik-Professor Klaus Meier mahnte in seiner Laudatio: “Der Beitrag lehrt uns genau hinzuschauen und die Sinne zu schärfen für den Blick auf die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.” Die Preisträger*innen Valeska Rehm und Moritz Bogen freute daher besonders, dass durch den Alternativen Medienpreis die Geschichte und Erinnerungskultur rund um den NS-Bahnhof Märzfeld eine besondere Aufmerksamkeit bekommen.

„Made to measure“: Spielregeln für den digitalen Raum

“Kann man einen Klon nur aus gesammelten Daten erstellen?” fragte Jamila Forster während der Vorstellung des Beitrages in der Kategorie Vernetzung. Denn genau diese Frage stellten sich die Preisträger*innen in der Dokumentation „Made to measure“. Moritz Riesewieck, Cosima Terrasse und Hans Block erstellten nicht nur den Dokumentarfilm rund um das Thema Datenschutz, sondern verarbeiteten ihre Erkenntnisse auch in einer interaktiven Website.

WDR Dokumentation „Made to measure“
WDR Dokumentation „Made to measure“ Foto: WDR

“Der Film macht Abstraktes fassbar” begründete Thorsten Steinhoff in seiner Laudatio die Wahl der Jury. Moritz Riesewieck und Cosima Terrasse äußerten sich im anschließenden Interview zu ihrem Beitrag. “Die entscheidende Konsequenz ist für uns, dass die Politik gefordert ist, Spielregeln zu schaffen für den digitalen Raum”, so Riesewieck.

Clanland – Schrecklich nette Familiengeschichten

Nachdenklich zurückgelassen von den Worten der Preisträger*innen in der Kategorie Vernetzung ging es weiter mit dem Preis, der sich in der Kategorie Leben bei 87 Einreichungen durchgesetzt hatte. Jamila Forster erinnerte daran, dass die Produktion mehr als zwei Jahre dauerte und in dieser Zeit mehr als 140 Interviews geführt wurden. Daraus entstand die Podcast-Reihe „Clanland – Schrecklich nette Familiengeschichten“ in 12 Teilen, “umrahmt von kabarettreifen Dialogen und einer hinreißend schönen Musik”, so Forster. Die Preisträger sind Mohamed Chahrour, Marcus Staiger und Daniel Hirsch.

Der Podcast Clanland.
Der Podcast Clanland. Startbild zur Folge 5 Kinderstraße. Foto: rbb

In seiner Laudatio wies Malte Burdekat  auf die Wirkung dieser Podcast-Reportage hin: “Der Podcast lässt nachempfinden, wie Vorurteile den Alltag von Menschen erschweren, deren Nachnamen die Zugehörigkeit zu einem Clan suggerieren. Das ist manchmal witzig, meistens aber sehr tragisch.” Im Interview berichteten Marcus Staiger und Daniel Hirsch, dass aus den gesammelten Interviews eigentlich nur ein Buch entstehen sollte. Die Vielzahl an Audiodateien wurden dann zusätzlich zu der ausgezeichneten Podcast-Reihe „Clanland – Schrecklich nette Familiengeschichten“ aufgearbeitet.

Waldbesetzer – Im Baumhaus gegen die Klimakrise

In der Kategorie Zukunft wurden Tatjana Mischke und Karin de Miguel-Wessendorf für ihren Film “Generation Waldbesetzer – Im Baumhaus gegen die Klimakrise” geehrt. Wie Birgitt Reim in der Vorstellung des Beitrages darlegte, dokumentiert der Film die Besetzung des Dannenröder Forstes aus Sicht der Besetzer*innen, Anwohner*innen und der Polizei.

Bild zur Doku Die Waldbesetzer
Generation Waldbesetzer – Im Baumhaus gegen die Klimakrise. Foto: HR

“Gute Journalisten lassen jede Seite zu Wort kommen, auch wenn der Sachverhalt klar scheint” betonte Sebastian Gomon. Er hielt die Laudatio für Tatjana Mischke und Karin de Miguel-Wessendorf und begründete die Wahl der Jury. Im Interview betonte Tatjana Mischke, dass bei der Produktion besonderer Wert darauf gelegt wurde, den verschiedenen Seiten Gesicht und Gehör zu geben: “Der Wunsch war, das so persönlich wie möglich zu zeigen.”

Peter Lokk dankte allen Beteiligten und den Unterstützern: dem Kulturreferat der Stadt Nürnberg, der Deutschen Journalistinnen- und Journalistenunion in Ver.di sowie dem Verein Kommunikation und neue Medien. In der Hoffnung auf eine Verleihung 2023 in Präsenz schloss er: “Auf Wiedersehen 2023 beim 24. Alternativen Medienpreis!”

Der Alternative Medienpreis 2022 und die Gewinner: Alle Preisträger*innen und ausgezeichneten Beiträge sind auf www.alternativer-medienpreis.de zu finden.

Wer die Preisverleihung verpasst hat, kann sie auf YouTube ansehen.

Autorinnen: Flora Trojahn und Maria Hepper