Yasemin Markstein / Just a normal Girl

Foto: André Sudradjat

Regisseurin

 

Yasemin Markstein war schon früh Filmschaffende und hat bereits als Schülerin privat Filme gedreht. Seit ihrem siebzehnten Lebensjahr ist sie Mitarbeiterin beim Medienprojekt Wuppertal, der größten Jugendvideoproduktion in Deutschland. Dort hat sie bereits mehrere Projekte umgesetzt, zuletzt zum Thema „Sexualisierte Gewalt“. Zurzeit studiert sie Mediale Künste mit dem Schwerpunkt Filmregie an der Kunsthochschule für Medien in Köln und wird demnächst ihr Diplom erwerben.

 

Wie entstand die Idee, über Vanessas sehr persönliche Geschichte einen Film zu drehen?

Vanessa hat beim Medienprojekt Wuppertal ein Schülerpraktikum gemacht, dort haben wir uns kennengelernt. Die Praktikanten haben am Ende immer die Aufgabe, einen eigenen Film zu produzieren. Wir hatten zu dem Zeitpunkt eine Dokumentarfilmreihe zum Thema „Liebe in der Fremde“ und wir dachten, es biete sich gut an, auch mit Vanessa passend zu dem Thema zu arbeiten. Gleichzeitig sollte sie etwas machen, das sie selbst betrifft und wo sie sich auskennt, da das immer eine gute Basis fürs Filmemachen ist. So kam es, dass ich für das Filmprojekt mit Vanessa über verschiedene Dinge gesprochen habe. Im Gespräch kamen wir dann auf das Thema Vaterliebe und bei diesem Stichwort brach es einfach aus ihr heraus. Sie hatte vorher noch nie mit jemandem über ihre Geschichte gesprochen – und das waren die Anfänge.

Was waren die größten Schwierigkeiten bei der Entstehung des Films?

Die größte Schwierigkeit aus meiner persönlichen Perspektive war zunächst mal, dass ich ein sehr junges Mädchen vor mir hatte, das total traumatisiert war. Da ich nun mal keine Psychologin bin, musste ich immer schauen, wo die Grenze ist und wo es kippen könnte. Ich wollte auf keinen Fall etwas anstoßen oder aufmachen, das ich dann nicht mehr auffangen kann. Beim ersten Interview hat Vanessa so viel geweint, dass ich abbrechen musste. Ich habe ihr dann vorgeschlagen, dass sie nochmal mit ihrer Familie besprechen soll, ob ihr das wirklich guttut. Ich wollte ihr damit komplett den Druck nehmen und es sollte aus eigenem Antrieb entstehen. Vanessas Mutter hat daraufhin gesagt, wie toll sie das finde und dass Vanessa den Film machen sollte. Ich habe dann vorgeschlagen, die Interviews mit Vanessa und ihrer Mutter gemeinsam zu machen und das war die richtige Entscheidung. So kam es, dass die Mutter auch im Film zu sehen ist. Für Vanessa war das dadurch ein behüteter und sicherer Rahmen, ihre Mutter war da und hat ein paar Punkte übernommen, die Vanessa nicht so leicht erzählen konnte.

Wollten Sie mit dem Film eine bestimmte Zielgruppe ansprechen?

Die Filme beim Medienprojekt sollten immer einen pädagogischen Mehrwert haben. Grundsätzlich bin ich am Anfang der Projekte immer ziemlich frei und überlege mir nicht so genau, welche Kernaussage ich unbedingt drin haben muss. Erst im Schnitt überlege ich, wie ich das Ganze aufbaue und dann schlussendlich komprimiere. Das heißt, am Anfang des Films war ich total offen und habe versucht, mich wirklich von der Protagonistin mitreißen zu lassen und in die Geschichte einzutauchen. Ich habe da nicht genau eine Zielgruppe im Kopf gehabt, sondern habe mich sozusagen völlig gehen lassen. Erst im Schnitt habe ich dann mehr gefiltert.

Wie waren die Reaktionen auf den fertigen Film?

Die fertigen Filme vom Medienprojekt werden immer in einem großen Kinosaal präsentiert. Dieser Film war Teil einer ganzen Filmreihe und da kamen natürlich viele Menschen ins Kino. Am Ende des Films herrschte totale Stille und die Zuschauer waren teils schockiert und teils berührt. Und gleichzeitig gab es aber auch dieses Gefühl von Stolz und Freude der Protagonistin gegenüber. Ich wollte nicht nur eine dramatische Geschichte erzählen, sondern auch Vanessas Lebhaftigkeit einfangen, denn das macht sie so besonders. Das heißt, es gab einmal die schockierten, berührten Reaktionen, aber man konnte gleichzeitig auch mit Vanessa lachen und auch die positiven Dinge in ihrem Leben mitgenießen.

Denken Sie, dieses Filmprojekt hat dazu beigetragen, dass Vanessa sich mit ihrer schwierigen Vergangenheit versöhnt hat?

Ich glaube schon, dass der Film bei Vanessa viel bewirkt hat. Denn es ging darum, dass sie das erste Mal darüber spricht und sozusagen für sich selbst diese Geschichte nochmal zulässt. Ich denke, Verdrängung und nicht über die Dinge zu sprechen ist nie etwas, das uns weiterbringt. Vanessa sagt im Film auch, dass sie es ihren Freunden noch gar nicht erzählt hat. Es war somit ein passender Weg für sie, das irgendwie aufzuarbeiten. Und das nicht alleine, sondern zusammen mit ihrer Mutter. Ich glaube, es hat auch die Familie weiter zusammengebracht, diesen Rahmen zu haben, in dem die Geschichte verarbeitet und nach außen transportiert werden kann. Ich finde Vanessa sehr besonders, weil ich das für eine 15-Jährige unglaublich stark finde, wie sie denkt und wie reflektiert sie ist. Auch von ihrer Mutter bin ich beeindruckt. Ich hatte hier zwei unglaublich starke Frauen vor mir sitzen.

 

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