Marko Junghänel / Gesamtkoordinator

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Deutscher Menschenrechts-Filmpreis

 

Marko Junghänel studierte Kommunikations- und Zeitungswissenschaft sowie Politische Wissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität München und absolvierte eine Ausbildung zum PR-Berater. Er war als Berater in verschiedenen PR-Agenturen in Düsseldorf und München tätig sowie Leiter der Kommunikation und Pressesprecher beim Bayerischen Jugendring (Landesjugendring). Seit 2004 ist er freiberuflicher PR-Berater – spezialisiert auf den Bereich Bildung und Medien. Seit Juli 2012 ist er Gesamtkoordinator des Deutschen Menschenrechts-Filmpreises.

 

Herr Junghänel, wenn Sie zurückblicken, haben Sie dann das Gefühl, dass der Deutsche Menschenrechts-Filmpreis bisher etwas bewirken konnte? Und wenn ja, was?

Das muss man sich von zwei Seiten aus anschauen. Wenn es um das Thema Menschenrechte selbst geht, kann ich offen sagen: Es hat noch kein Unrechtsregime aufgegeben, nur weil es den Menschenrechts-Filmpreis gibt. Das wäre illusorisch. Wir sind ein kleines Rädchen im Konzert mit vielen anderen. Aber der Filmpreis hat an Renommee und Bekanntheit gewonnen. Und das ist vor allem für diejenigen interessant, die Filme machen, und sich mit dem Thema Menschenrechte beschäftigen. Denn ihre Filme sind in der Regel keine massenkompatiblen Produktionen. Aber spätestens dann, wenn ein Film unter den Preisträgern ist, tun sich Redaktionen leichter, ähnliche Themen durchzusetzen. Ja, in dieser Hinsicht hat der Menschenrechts-Filmpreis tatsächlich etwas bewirkt.

Die Sensibilisierung ist das eine. Das andere sind die eigentlichen Geschichten. Stellen Sie hier Unterschiede zwischen gestern und heute fest?

Es gibt tatsächlich eine Veränderung. In der Anfangsphase hat man Menschenrechte thematisch immer mit etwas verbunden, das am anderen Ende der Welt stattfindet. Also zum Beispiel mit den berühmten Schurkenstaaten, in denen es Folter gibt, die Todesstrafe. Das hatte nie wirklich etwas mit uns zu tun, mit Deutschland, mit Europa. Das hat sich erst geändert, als die Flüchtlinge zu uns kamen. In einer deutlich größeren Zahl, als wir es jemals vorher erlebt hatten. Und da haben wir uns gefragt, was das Thema Menschenrechte mit uns zu tun hat? Aber wir können noch weitergehen, und die Frage stellen, wie wir mit Menschen mit Behinderung umgehen? Oder wie es bei uns in der Pflege aussieht. All das sind Themen, die tatsächlich eine hohe Relevanz haben. Dabei gibt es auch in Deutschland Nachholbedarf. Die zweite große Veränderung hat es in der Umsetzung gegeben. Denn es geht ja letztlich darum, solche Filme einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Bei den Genres ist eine größere Vielfalt erkennbar: Stoffe, die als Spielfilm aufbereitet sind, Kurzfilme, die Kurz-Spielfilme sind, oder Kammerspiele. Dadurch wurden solche Filme insgesamt attraktiver.

Wenn Sie den Blick auf die Beiträge selbst richten: Hat sich hier durch den Menschenrechts-Filmpreis etwas zum Positiven verändert?

Es gibt immer die Befürchtung, dass die Menschenrechte zunehmend unter Druck geraten. Schaut man aber ein bisschen genauer hin, dann ist die Situation an manchen Stellen gar nicht so dramatisch. Im Gegenteil. In den letzten Jahren haben immer mehr Länder die Todesstrafe abgeschafft. Um mal ein konkretes Beispiel zu nennen: Es gibt bis heute den juristisch nicht vollständig aufgeklärten Fall von Oury Jalloh, einem Asylbewerber aus Sierra Leone, der vor mehr als zehn Jahren unter bislang ungeklärten Umständen in seiner Gefängniszelle in Dessau verbrannt ist. 2006 und 2008 gab es zu diesem Thema jeweils einen Preisträgerfilm. Der Prozess drohte damals einzuschlafen, weil sich keiner mehr wirklich dafür interessierte. Auch durch die Prämierung dieser beiden Filme ist der Druck auf die Staatsanwaltschaften gestiegen, sich dem Thema noch einmal anzunehmen, und zum Beispiel Brandgutachten zu fordern. Hier glaube ich tatsächlich, dass wir etwas bewirkt haben, indem wir einem Thema Öffentlichkeit gaben.

Steter Tropfen höhlt den Stein … ist das Interesse von Filmemacherinnen und Filmemachern am Thema Menschenrechte in den letzten zwanzig Jahren gestiegen oder ist es gleich geblieben?

Na ja, kein Filmemacher sagt, ich mach’ jetzt mal einen Menschenrechtsfilm. Mit dieser Vorstellung werden keine Stoffe entwickelt. Bei vielen jüngeren Filmschaffenden nehme ich aber eine zunehmende Sensibilität für die Ungerechtigkeiten auf dieser Welt wahr. Und diese Ungerechtigkeiten sind im Zweifelsfall auch aus menschenrechtlicher Sicht relevante Themen. Insofern merken wir schon, dass insbesondere junge Regisseurinnen und Regisseure, die aus dem Hochschulbereich kommen, sehr mutig agieren. Sie haben im Rahmen ihrer Ausbildung auch die Möglichkeit, darüber Filme zu machen. Ohne Schere im Kopf. Oder die Amateure, also alle, die nicht kommerziell arbeiten.

Noch eine letzte Frage: Was wünschen Sie sich denn für die nächsten zwanzig Jahre Deutscher Menschenrechts-Filmpreis?

Man könnte jetzt sehr euphorisch sagen, eine gute Entwicklung wäre, wenn es diesen Preis nicht mehr geben müsste. Weil alles geklärt ist, und weil die Menschenrechtsverletzungen auf ein Minimum zurückgegangen sind. Das ist aber leider illusorisch. Der Stoff wird uns auch in den nächsten Jahren nicht ausgehen. Ich wünsche mir, dass es weiterhin solche Filmemacher gibt, wie ich sie kennenlernen durfte. Die beharrlich an einem Thema dranbleiben, manchmal fünf, sechs, ja sieben Jahre, weil es ihnen wirklich wichtig ist. Das hat mich immer fasziniert, und ich fände es wunderbar, wenn das so bliebe. Wenn die junge Generation von Filmemachern auch die technischen Möglichkeiten nutzen würde, um Zeugnis abzulegen, was in der Welt passiert, und eine Haltung entwickelten, dann würde mich das freuen.

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