Ich stehe vor dem Regal mit den Rasierklingen. Seit meinem Besuch bei Dina sind fünf Wochen vergangen. Einen zweiten Termin habe ich nicht vereinbart. Werde ich auch nicht. Nochmal lasse ich mir die Haare nicht rausreißen. Eine Freundin krümmte sich vor Lachen, als ich ihr erzählte was ich ausprobiert habe. „Du? Beim Waxing? Haste geheult?“ Anfangs, nachdem sich die Haut in meinem Schritt beruhigt und wieder einen normalen Hautton angenommen hatte, war ich begeistert. Ein perfektes, gleichseitiges Dreieck und unfassbar glatte Haut. Mein Schritt war nie schöner. Nach zwei Wochen verflog die Euphorie allmählich. Erste Stoppeln und eingewachsene Haare. Die akkuraten Kanten wurden ungenauer, Dinas Dreieck war bald dahin. Seit ein paar Tagen greife wieder zum Rasierer.

Sanfte Rasur in zartrosa. Aloe Vera gegen die vom Rasieren irritierte Haut. Scharfe Klingen verpackt in rosa, apricot, türkis und violett. Ich frage mich, wer sich die Namen ausgedacht hat. „Intuition“ – wenn Rasieren intuitiv ist, warum verletze ich mich dann regelmäßig? „Fairytale“ – ernsthaft? Rasiert sich Tinker Bell etwa die Beine? Und wartet der Prinz vor der Dusche darauf, mich in ein flauschiges, nach Blumen duftendes Handtuch zu wickeln, sobald ich das letzte Haar wegrasiert habe? Verwandelt der „Spa Breeze“ mein winziges, Vier-Quadratmeter-Bad in eine Wellnessoase?

Ab mit dem Körperhaar

Kaltwachs und Warmwachs für Gesicht, Achseln und Bikinizone. Cremes und Gels zur Haarentfernung. Auf den Verpackungen: Frauen, die sich ihre haarlosen Beine und Achseln enthaaren und die perfekten Augenbrauen in Form bringen. So sehe ich nicht aus. Nicht vorher, nicht nachher und erst recht nicht währenddessen. Keine Frau sieht so aus, während sie sich die Haare entfernt. Keine.

Ich kaufe immer die Rasierklingen aus dem Männerregal. Warum soll ich mehr zahlen, weil etwas rosa ist, unnatürlich duftet und einen lächerlichen Namen hat? Meine Beine werden auch mit blauen Klingen seidig glatt. Anders als das Barbieregal mit den Frauenprodukten ist dieses komplett schwarz. Verpackungen in Dunkelblau und aggressivem Orange. Es strotzt vor Energie: Präzision, Power, ausschließlich „Pro“-Produkte. Mein Blick bleibt an einem vollbärtigen Mann auf einer der Verpackung im obersten Regal hängen. Öl, Balsam, Shampoo, Pomade und Serum – alles für den Bart. Hier sind Haare also gut. Wie fühlen sich Männer ohne derart perfekten Bartwuchs vor diesem Regal?

Die Farbwelten, die Namen. Was soll das eigentlich? Ich bin kurz davor aus Protest gar keinen Rasierer zu kaufen und alles sprießen zu lassen. Allein wäre ich damit in Zeiten von #januhairy und #freethepit in jedem Fall nicht. Mann lässt sein Haar sprießen und die Welt zelebriert seine Männlichkeit. Für Frau gibt es gegen jedes Körperhaar das richtige Mittelchen zur Entfernung.  Übersieht sie eines oder lässt es gar absichtlich wachsen, drehen alle durch. „Sind das Haare? Spinnt die?“

Mit behaarten Achseln kann ich leben, haarige Frauenbeine irritieren auch mich

An anderen und an mir selbst. Warum, kann ich nicht erklären. Mir wurde nie vorgelebt, ich müsse mich rasieren. Trotzdem tue ich es. Meistens. In der Werbung: glatt rasierte Beine. Haare? Nur auf dem Kopf. Fällt dann jemand aus der Norm, läuten die Alarmglocken im Hirn geradezu Sturm. „Moment, die sieht anders aus.“ Ich mag es, wenn meine Beine glatt rasiert sind. Nur nervt mich das tägliche Rasieren. Schnell, schnell und schon schneidet man sich. Deswegen gibt es Wochen, da wächst alles vor sich hin.

Schnittwunden am Bein und Pickelchen im Schritt vom Rasieren. Eingewachsene Haare und irritierte Haut vom Waxing. Ein Albtraum. Bliebe noch die Option Lasern. Aber bin ich bereit, mich für immer von meinem Körperhaar zu verabschieden? Von den lästigen feinen Härchen in der Bikinizone durchaus. Noch überlege ich.