In meinem Leben geht es wild zu: Ständig habe ich eine Vielzahl von Bällen in der Luft, fordernde Projekte in Planung, Menschen um mich, die etwas von mir wünschen oder brauchen. Viel, viel, viel. Ich liebe diese Vielfalt in meinem Leben, aber bisweilen überfordert sie mich.

Daher ist Headspace mein Lebenselixir. Seit drei Jahren lasse ich per Klick Sessions aus dem Angebot von 550 Stunden Meditation in ruhigem, freundlichstem Londoner Akzent in meine Seele gleiten. Das macht mich nicht nur entspannter, sondern immer wieder sogar glücklich. Auf Englisch. Heißt: Ich kann dieses Elixir eigentlich nur denjenigen in meinem Umfeld weiterempfehlen, die gut Englisch können. Die anderen winken dankend ab, sie wollten beim Meditieren keinen Sprachkurs machen, sagen sie.

Mit Headspace unterwegs meditieren

Und jetzt gibt Headspace bekannt, dass die App ab sofort auch auf Deutsch verfügbar ist. Als Marktführer unter den Anbietern von Meditationsapps springt Headspace von Superlativ zu Superlativ. Seit der ehemalige buddhistische Mönch Andy Puddicombe Headspace 2010 gegründet hat, haben über 40 Millionen Menschen in über 190 Ländern die App heruntergeladen. Mit ihr können sie, wo immer sie wollen, kurz aus dem Alltag aussteigen – für 3, 10, 15 oder 20 Minuten. In der U-Bahn, im Büro, im Park. Stress abbauen, abschalten, Kraft tanken. Meditation to go.

Die Headspace-Animationsfilme, einst entworfen von der legendären Londoner Agentur Airside, erklären den Sinn der Meditationsübungen.

Stress sei in Deutschland ein wachsendes Problem, behauptet der erste Deutsche Stress Monitor, den das Marktforschungsunternehmen Kantar im Auftrag von Headspace durchgeführt hat: 40Prozent der befragten 2400 Deutschen im Alter von 18 bis 64 fühlten sich häufig gestresst. Fast 50 Prozent seien gestresster als noch vor fünf Jahren und sind überzeugt, dass ihr Leben ohne Stress schöner wäre. Die Studie wird allerdings nur in der Pressemitteilung von Headspace erwähnt, online ist sie nicht verfügbar, auch nicht bei Kantar. Ein Marketinginstrument soll potenzielle deutsche Kunden davon überzeugen, dass sie unbedingt Headspace abonnieren sollen. Heiße Luft also.

Tief einatmen mit der Meditationsapp?

Trotzdem will ich wissen: Kann die App deutschsprachige Nutzer beim Abschalten genauso beseelen wie die englischsprachigen? Gibt es ein deutsches Pendant zu Andy Puddicombe, dem charismatischen Meditationsflüsterer von Headspace?

Gibt es nicht. Die deutsche Version wurde vertont von einer professionellen Sprecherin, die den übersetzten und leider nicht adaptierten Text irgendwo ablesen musste. Wo Andy den Vorschlag „Now, take a few deep breaths“ in meinen Kopfhörer perlt, liest die scharf prononcierende teutonische Stimme „Jetzt nimm ein paar tiefe Atemzüge!“.

Innere Ruhe mag da nicht entstehen. Hätte sie mich sachte ermuntert, ich solle „jetzt ein paarmal tief ein- und ausatmen“ – dann hätte ich vielleicht mit mir reden lassen. Aber so? Ich will, dass diese App mich persönlich anspricht, mich einlullt, mich mit Gelassenheit und feelgood factor erfüllt. Tonfall, Timbre, Duktus und Ausstrahlung sollen mich gewinnen, nicht herumkommandieren. No, thank you.

In diesem Jahr plant Headspace, noch fünf weitere fremdsprachige Versionen herauszubringen. Das sollte sich das Unternehmen gut überlegen. Vielleicht gelingt ihm der Launch in anderen Sprachen besser, wenn es statt professionellen Sprechern Schauspieler engagiert, die den Stil von Andy Puddicombe adaptieren.

Bis dahin sollten Meditationswillige nicht verzagen: Die englische Version funktioniert auch mit passablem Schulenglisch ganz gut. Einfach mal ausprobieren. It’s worth it.