Gar nicht wild: Von der Ödnis, Dave Grohl in der Doku „Back and Forth“ beim Egoshooting zuzusehen. Das Original liest und hört sich natürlich anders. Da geht es nicht darum, dass man von jemandem genug hat. In dem 2002 veröffentlichten Titel „Tired of you“ der Foo Fighters geht es genau ums Gegenteil. Aber hier, schon ganz am Anfang der Rockumentary
„Back and Forth“, gesellt sich Langeweile zur Faszination. Zu einer fast schon reflexartigen Faszination angesichts Kurt Cobains Genie und Wahnsinn zu Zeiten von Nirvana, als dessen Drummer, Dave Grohl, schon eine Rolle spielte. Aber eben nur eine. Als kongenialer Stichwortgeber auf Cobains verbale Explosionen im Video zum Kultsong „Smells Like Teen Spirit“ zum Beispiel. Und bei den vielen anderen Titeln, mit denen sich Nirvana in die Seelen einer ganzen Generation gebrüllt und gelitten hat.

Doch hier geht es nicht um die Erfolgsgeschichte der Grunge-Band aus Aberdeen, Washington. Hier geht es um die Foo Fighters, die erfolgreichste Band der USA. Wirklich? Geht es tatsächlich um die von Dave Grohl nach dem Selbstmord von Kurt Cobain 1994 gegründete eigene Band mit William Goldsmith am Schlagzeug und Pat Smear an der E-Gitarre? Ja, grundsätzlich schon. Vordergründig.

Skizziertes Porträt von Dave Grohl, dem Leadsänger der Foo Fighters.

Scribble by Chris Reg-Rebni

Grohls Leiden an und nach Nirvana ist schnell abgehakt. Der Tod des charismatischen Frontmans für die eigene Leidens- und Auferstehungsphase geschickt genutzt, um danach in hundert Minuten ein beeindruckendes „Egoshooting“ durch die Bandgeschichte hinzulegen. Mit vielen „Toten“ (Ex-Bandmitglied Goldsmith, Ex-Gitarrist Stahl und gerade-noch-davon-gekommen-Hawkins), noch mehr selbstreferenziellen „fucking oder damn good(s)“ und einer Kamera, die Grohls Trip immer dicht auf den Fersen bleiben muss: Die musikalische Genese der Foo Fighters – ein einziges Hosianna an Grohls Multitalent als Drummer, Sänger, Bassist und Gitarrist, an sein unglaubliches Gehör, das die Band vor Goldsmiths „Mittelmäßigkeiten“ bewahrte und an den niemals endenden, hyperkreativen Quell genialer Texte und Inhalte. Allesamt erfolgreich. Alle. Und schließlich Grohls großartiger Humor, über den die Kollegen sagen müssen, dass er bei ihm halt am besten rüberkam.

Lehrstück für Erfolg

Doch an dieser Stelle erst einmal Schluss mit shitstorming. Denn man kann sich diese Doku von 2011 auch aus einer anderen Perspektive ansehen, und in ihr so etwas Ähnliches erkennen wie ein Lehrstück für Erfolg. Mit dem fiktiven Titel „Take no prisoners“.

„Back and Forth“ macht deutlich, warum manche Bands (lange) erfolgreich sind, andere nicht. Oder anders gesagt: Warum manche Bands und ihre Leadsänger abheben und im ewigen Sound-Olymp landen. Manche nicht. Die nach einem kurzen oder langen Hype die Kälte von Zuschreibungen wie „Ja, waren mal richtig gut“ oder, noch schlimmer, „Och nöö, hab‘ ich mich rausgehört“, zu spüren bekommen und daran zerbrechen. Im wahrsten und im übertragenen Sinne. Nicht so Grohls Foo Fighters.

Die haben Glück, dass ihr Chef seit fast 20 Jahren ein extrem disziplinierter, ausdauernder und – nach eigener Aussage – cleaner Vollblutmusiker ist. Der es mit einem Mix aus Alphatier und Vaterfigur geschafft hat, seine Band zusammenzuhalten. Sie auf dem gleichen Energielevel zu halten, wie er ihn für uns in der Doku fast physisch erlebbar macht.

„I was young, what the f…?!“

Da ist die Omnipräsenz Grohl, der schon zu Nirvana-Zeiten wie ein Irrer an der Schießbude wütete, der in Chuck Berry-Pose mit der Gitarre im Anschlag wie ein Derwisch über die Bühne fegt, und der ins Standmikro kreischt und brüllt, als leide er Höllenschmerzen oder unter einem recht ordentlichen Wutanfall. Das hält auch die anderen Bandmitglieder auf Trab, auch wenn sie sich – mit Ausnahme von Taylor Hawkins, der selbst ein Besessener ist, und Grohls Genie am Drumset fast vergessen macht – mit Gefühlsausbrüchen à la Chef eher zurückhalten.

Aber sie sind da, voll da, und liefern. Würden sie das nicht tun, wären sie draußen. Wie William Goldsmith 1997 während der Arbeit am zweiten Foo Fighters Album „The Colour and the Shape“. Dave Grohl ließ die Band in Abwesenheit des Drummers mehrere Songs zweimal einspielen und übernahm bei diesen Aufnahmen das komplette Schlagzeug selbst. Die Band war ratlos, stellte Grohl aber keine Fragen.

Goldsmith jedenfalls war ohne Erklärung oder Vorwarnung seinen Job los. „Ich habe eine ganz konkrete Vorstellung davon, wo der Hauptakzent (Anm. d. Verf.: beim Schlagzeug) liegen muss,“ erklärt Grohl im „Back and Forth“-Interview seinen Beweggrund, Goldsmiths Potenzial zu misstrauen. Und gibt kurz den Zerknirschten, um sich dann ganz schnell mit einem simplen „I was young!, what the fuck?!“ zu exkulpieren. Das ist ganz Top-Management, ganz Vorstandsvorsitz, Leadership eben. Mit der man Teams zusammen- und auf Kurs hält, mit der man sich unnötige Emotionen vom Leib hält, eben keine Gefangenen macht, und nach vorne schaut. Das hat er nie abgelegt.

Das Dreamteam

Gut für Grohl, aber auch gut für die Band. Die blieb nach dem (unfreiwilligen) Abgang von Franz Stahl und dem Neuzugang von Chris Shiflett als Leadgitarrist 1999 bis heute zusammen. Bis auf zwei kurze Intermezzi, als Nate Mendel das dringende Bedürfnis hatte, musikalisch fremd zu gehen und die Band zu verlassen, und Pat Smear nur noch seine Ruhe haben, und kein einziges Konzert mehr spielen wollte. Sowohl Mendel, als auch Pat Smear kamen reumütig zurück. Mendel ging erst gar nicht, sondern bekam gleich am selben Tag, als er Grohl über seinen Abschied informierte, kalte Füße. „Ich wusste, dass es nicht besser werden würde,“ erzählt er, und sieht dabei recht betroffen aus. Vielleicht genauso wie damals, als er befürchtete, Grohl würde ihn nicht mehr zurücknehmen.

Aber der nahm ihn zurück. Nicht nur weil er wusste, welch perfekter Arbeiter Mendel ist, was für ein Ausnahmemusiker. Und, ja, das kann und will man ihm gar nicht absprechen, weil er Nate wirklich mochte und immer noch mag. So wie die übrigen drei Kumpels aus der Stammcrew, mit denen er immer noch wahnsinnig erfolgreich ist. Und jede seiner Ankündigungen, das wär’s jetzt gewesen mit den Foo Fighters, Lügen straft.

Hosianna.

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