Lachen bringt uns Ruhe zurück

Ruhig kann man den Körper im Zustand des Lachens kaum nennen. Geistig kann im Lachen, vor allem im angeleiteten Lachen, durchaus ein Zustand der Ruhe, sogar des inneren Friedens, eintreten.

Lachende rothaarige Frau
Lachtrainerin Cornelia Leisch. Foto: Christine Wawra

Eine Möglichkeit, wie der Stress des Alltags abfallen kann und wir Unruhe, Unsicherheit und Angst hinter uns lassen können. Lachen bringt uns Ruhe zurück, meint Cornelia Leisch. Sie ist Lachtrainerin und Lachcoach, erste Vorsitzende des Europäischen Berufsverbands für Lachyoga und Humortraining, bildet Lachtrainer aus, hält Vorträge und Lach-Seminare. Im Westpark leitet sie einen Lachtreff und wünscht sich, dass in 15 Jahren in jedem deutschen Altersheim gelacht wird.

 

Was machen Sie als Lachtrainerin?

Ich nenne, was ich mache, LOL-Training. LOL steht für Lebensfreude, Optimismus, Leichtigkeit. Ich leite Gruppen mit körperlichen Übungen an, die uns in einen heiteren Zustand versetzen. Es geht nicht primär ums Lachen, bei mir zumindest. Aber durch die Aktivität des Lachens ändert sich die Chemie im Körper und wir kommen raus aus dem Stress und in ein Wohlbefinden, weil Endorphine freigesetzt werden.

Was ist der Unterschied zum Lachyoga?

Mit Lachyoga habe ich angefangen. Lachyoga ist die Grundtechnik, die vor etwa 25 Jahren weltweit verbreitet und von Madan Kataria in Indien erfunden wurde. Lachyoga beinhaltet Lachübungen, Atemübungen und Klatschübungen und hört auf, wenn alle kräftig lachen. Was ich dann kennen gelernt habe, ist Laughter-Wellness, eine Technik, die Sebastien Gendry aus dem Lachyoga entwickelt hat. Dort geht es wirklich um das Wohlbefinden, ums Atmen und darum, die Energie anzuheben. Gendry macht viel mit positiven Einwürfen, Lob und Spielerei. Der Grundsatz beim Lachyoga war und ist auch heute noch: fake it until you make it – tu so als ob, bis es eintritt. Aus dem künstlichen Lachen soll innerhalb kurzer Zeit ein echtes Lachen werden. Und das stimmt eben nicht.

Ihr Ansatz fußt also auf Laughter-Wellness. Was wollen Sie mit Ihren Trainings erreichen?

Lachen ist angeboren. Wenn aber jemand in der Öffentlichkeit lacht, drehen sich die anderen Leute um und schauen. Da du aber nicht auffallen und nicht das Gesicht verlieren willst, bist du erst einmal ernst und traust dich nicht zu lachen. Da ist der Kopf immer der, der kontrollieren will. Ich bin davon überzeugt, dass unser Lachen bloß darauf wartet, endlich wieder nach draußen zu dürfen. Das Ziel von Laughter-Wellness ist, dass du so eingebunden wirst in die Abfolge, was alles zu tun ist, dass du eigentlich nicht mehr weißt, wo dir der Kopf steht. Wirklich zu sich selbst zurückzukommen, bei sich zu sein und mit sich zufrieden zu sein – diesen Zustand, den hast du beim und nach dem intensiven Lachen. Für mich ist die gute Laune, die Fröhlichkeit und die Freude die Essenz von uns Menschen – was uns verbindet.

Bei sich zu sein und den Kopf frei zu bekommen – ist das nicht ein Ziel von Yoga?

Ja, aber es gibt einen entscheidenden Unterschied. Beim Yoga verharren die Leute still in Asanas. Und der Kopf rattert und rattert und rattert. Der Meditationsleiter ist happy, weil alle still dasitzen und keiner etwas sagt. Beim Lachtraining weißt du sofort, ob jemand dabei ist oder nicht, wie es demjenigen geht. Die Übungen funktionieren immer im Kontakt mit anderen Menschen. Das macht das Lachtraining so besonders. Du schaust Menschen in die Augen, die du sonst nie anschauen würdest. Du traust dich Leute anzulächeln. Das machst du eine Stunde lang übungsmäßig und angeleitet. Und plötzlich ist es das normalste der Welt, dass du Menschen anschauen kannst, und sie schauen zurück und sind nett. Das findest du sonst nicht, dass du unter Fremden bist und alle dir freundlich gesinnt sind. Wir leben in einer Welt der Panikmache: Angst, Zukunft, Rente, Stress. Die Welt wird immer verrückter, die Einsamkeit immer größer. Man hat immer mehr Angst, überhaupt mit irgendjemand in Kontakt zu gehen. Es geht nicht darum, dass du jeden anlächelst. Es geht darum, dass du dich erholen kannst, wenn du zu diesem Lachtreff kommst. Dass sich die Seele erholen kann unter anderen Menschen.

Wie sieht so ein Lachtreff oder eine Lachsession konkret aus?

Eine Lachsession ist eine Abfolge von Übungen in einer bestimmten Zeitdauer. Der Lachtreff im Westpark dauert ungefähr eine Dreiviertelstunde. Es geht los mit Aufwärmübungen, meistens mit einer Namensrunde. Ich bringe ein Gummihuhn mit. Das werfen wir einander zu, jeder sagt seinen Namen und lacht kurz. So stelle ich in diesem öffentlichen Raum eine Verbindung zwischen den Leuten her. Danach sind sie mit ihrer Aufmerksamkeit im Kreis. Und dann geht’s los mit Atemübungen, Klatschübungen, Lachübungen und Übungen mit positiven Einwürfen, immer abwechselnd. Die Übungen lassen Mauern bröckeln.

Muss man lachen?

Lachen ist ansteckend. Wenn jemand lacht, lachst du auch. Ich sag den Leuten im Vorfeld, schaut einfach, was passiert. Es gibt keinen Zwang zu lachen. Schaut was passiert und wenn ihr nicht lacht, ist es auch in Ordnung. Für manche Menschen ist ein Lächeln ein Riesenschritt. Sie stehen dann da und können gar nicht fassen, was sie da machen. Ein guter Lachtrainer lacht am Anfang leicht los und gibt den Raum dann frei für die anderen.

Es geht also um Lachen ohne Grund. Wie stehen Sie zu Humor?

Bei Humor oder Witzen brauchst du erstmal viele Voraussetzungen: Du brauchst dieselbe Sprache, du brauchst denselben Kontext, du brauchst ein gewisses Wissen, damit du erkennst, was bei einem Witz die Pointe ist. Du musst einfach geistig wach sein, damit du den Witz verstehst. Es gibt ja nichts Schlimmeres als einen Witz nicht zu verstehen. Doch: dreimal denselben Witz zu hören. Beim dritten Mal lachst du über einen Witz nicht mehr. Und der Effekt eines Witzes, genauso wie der Witz selbst, ist so kurz. Du lachst über einen Witz zwei, drei Sekunden lang, mehr ist es nicht. Und beim Lachtraining lachen wir 20 bis 30 Sekunden, eine Minute oder länger. Das erzeugt den positiven körperlichen Effekt, die vertiefte Atmung.

Wie sind Sie zum angeleiteten Lachen und zur Leitung des Lachtreffs gekommen?

Ich war 13 Jahre im Ausland, bin 2001 zurückgewandert nach Deutschland und war ziemlich schnell ziemlich überfordert. Ich hatte zwei Kinder, musste mir eine Wohnung und einen Job suchen, musste die Wohnung komplett neu einrichten. Und mich hats regelrecht derbröselt. Nach diesem Zusammenbruch habe ich eine Therapie begonnen und zusätzlich Bewusstseins-Training kennen gelernt. Das hat mir noch mehr geholfen als die Therapie, weil ich da schauen konnte, wie ich mein Leben eigentlich betrachte und wie ich etwas ändern kann. Und als ich gemerkt habe, dass ich selber etwas tun kann, wollte ich auch, dass wieder Freude in mein Leben kommt.

Im Januar 2005 ist dann ein Lachclub im Westpark eröffnet worden, den wollte ich mir anschauen. Da standen dann 15 Leute im Schnee, alle fremd, alle haben komisch geguckt und wir wurden angeleitet zu lachen. Das war komisch, weil du dastehst, hohoho hahaha machst und einfach loslachst. Aber nach einer Viertelstunde war es gar nicht mehr so fremd und so komisch. Und nach einer Stunde hab ich mich so wohl gefühlt wie schon ewige Zeiten nicht mehr. Also bin ich jeden Sonntag hingegangen, habe wieder Anschluss bekommen an Leute. Nachdem mich die Leiterin gefragt hatte, ob ich sie unterstützen möchte, habe ich einen Kurs zum Lachtrainer gemacht und seitdem mitangeleitet. Im Herbst hatte sie keine Lust mehr, weil der Lachclub nicht so anlief, wie sie wollte. Am Anfang waren mal drei und mal zwölf Leute da, es gab keine Regelmäßigkeit. Ich wollte schon weitermachen, traute mir aber nicht die Verantwortung zu, zusätzlich zu den Kindern und den Jobs, jeden Sonntag dort hinzugehen. Als sich jemand bereit erklärt hat, mich zu vertreten, habe ich zugesagt. Und am Anfang lief es wirklich nicht so gut. Es hat fünf Jahre gedauert, bis immer mindestens 20 Leute kamen. Jetzt kommen zwischen 20 und 50 zum Lachtreff im Westpark.

Welchen Einfluss hatte der Lachclub auf Ihr Leben?

Der Lachclub hat mein ganzes Leben verändert und mich sogar von der Depression weggebracht. Denn ich musste hingehen, auch wenn mir nicht zum Lachen war. Dort waren Leute, die auf mich gewartet haben. Da habe ich mir gesagt, ich leite mal an, irgendwie bekomme ich das schon hin. Und nach der Stunde ging es mir wieder gut. Dadurch hatte ich einen Ausgleich in der Depression, wurde stabiler und fühlte mich wieder wohl. Bei einer Depression bist du in einer Abwärtsspirale. Und diese Abwärtsspirale geht einfach nicht mehr weiter, wenn du zwischendurch wieder lachst. Das ist für mich das Allerbemerkenswerteste.

Welche Projekte haben und planen Sie noch?

Das Neueste sind LOL-Spaziergänge. Das ist eine Form der Kommunikation: Es wird eine Frage gestellt, auf die einer antwortet. Der andere hört zu und sagt auch nichts darauf. Es bleibt einfach so stehen. Nach fünf Minuten wird getauscht. Die Frage ist, was ist das Schönste, das dir in der letzten Woche passiert ist. Was sonst ja oft geschieht, ist, dass einer redet und der, der zuhört, schon eine Antwort formuliert und es ihn gar nicht mehr interessiert, was der andere noch zu Ende reden möchte. Viele sind es gewohnt, gegen einen Widerstand reden zu müssen. Auch eine Weile nichts zu sagen, ist eher komisch. Andersherum musst du darauf achten, dass du weiterredest, sonst übernimmt der andere. Es ist meine Absicht, den Fokus auf das Positive zu lenken. So erzählen die Leute fünf Minuten lang nur von schönen Sachen, die ihnen passiert sind. Und dann hören sie fünf Minuten lang schöne Sachen, die anderen passiert sind. Und schon sind es zehn Minuten, in denen es nur um das Positive geht. Das ist so wertvoll in der heutigen Zeit. Die nächste Frage ist, worauf freust du dich in den nächsten zwei Wochen. Der Fokus wird  gleich auf das Zukünftige gelenkt. Und wenn du das regelmäßig machst, ändert sich dein Weltbild auch.

Eine Stunde lachen und eine Stunde im Gespräch sein, das mache ich auch als Kurs mit alten Leuten. Seit 2015 leite ich das Projekt „Oma lacht wieder“. Ich wollte es schon hinschmeißen, weil es wahnsinnig viel Arbeit ist. Ich muss nicht nur einen Raum organisieren, Werbung machen und alte Leute dazu bringen, dass sie kommen – ich muss die Kurse auch halten. Außerdem muss ich die Vorbereitung, die Buchführung und das Ganze machen. Dazu habe ich eine Fundraising-Kampagne gestartet, damit ich Sponsoren finde. Ich kann Leute zum Lachtrainer ausbilden, aber ich brauche auch jemanden, der das zahlt. Die Idee ist, Leute, die in den Ruhestand gehen, dazu zu bringen, dass sie Lachtrainer werden, weil sie dann eine Aufgabe haben und nicht in dieses Loch fallen, nicht mehr gebraucht zu werden. Leute, die Gruppen leiten können, die sollen einen Lachclub aufmachen. Dann haben sie etwas davon und bringen ihr Viertel auf Trab. Und so kann sich das weiterverbreiten. Zum Beispiel könnten sie Altersheime besuchen. Ich habe nämlich ein hochgestecktes Ziel: Ich möchte, dass in 15 Jahren in jedem deutschen Altersheim regelmäßig gelacht wird. Du musst etwas machen für die Leute, die dort wohnen und für diejenigen, die dort arbeiten. Da will ja keiner arbeiten. Wenn ich mal an der Reihe bin, brauche ich auch noch irgendjemand, der da ist und arbeiten möchte. Ich mach das also nicht aus reinem Altruismus. (lacht)

Den Lachtreff im Westpark gibt es seit 2005. Er findet jeden Sonntag von 11 bis 12 Uhr statt. Die Teilnahme ist kostenlos, nach dem Treff geht ein Hut herum.

Anmerkung: Während unseres Gesprächs haben wir sehr viel gelacht.