Werkzeug teilen

von Moni Münch
Im Repaircafé haben Ehrenamtliche den Schraubenzieher in der Hand: Sie reparieren nicht nur kaputte Geräte, sie wollen ihr Wissen auch mit anderen teilen.

Im Repaircafé geben Ehrenamtliche Reparaturwissen weiter

von Moni Münch

„Ich habe so ein bisschen den Weltverbesserungsanspruch“, sagt Andreas Frisch, während er die Brotschneidemaschine von Ingeborg Wagner fachmännisch zerlegt, „Geräte, die noch gut sind, wieder gangbar zu machen.“ Der 33-Jährige gehört zum festen Team der Ehrenamtlichen, die das Repaircafé in Aschaffenburg regelmäßig auf die Beine stellen.

 

Im Alltag ist Frisch Software-Ingenieur, „hier schraube ich am liebsten an den Haushaltsgeräten“, sagt er. Hinter ihm werkelt Jörg Schneibel an einer kleinen Kamera, Rentner Uwe Burkart hat an diesem Samstagvormittag einen Stuhl geleimt. Ob Fahrrad oder Computer, Elektronik oder Kleidernaht: Im Repaircafé steht für fast jeden Notfall ein Spezialist bereit.

Hilfe zur Selbsthilfe

Fünf Mal hat es das Aschaffenburger Repaircafé im vergangenen Jahr gegeben, ganz bewusst haben die Hobby-Handwerker ihre Werkzeuge jedesmal in wechselnden Stadtteilen, in Jugend- und Gemeindezentren ausgepackt: Um immer wieder neue Leute anzusprechen. „Die Resonanz war jedes Mal gut“, sagt Andreas Frisch rückblickend. Ihm ist es wichtig, nicht nur Maschinen zu reparieren, sondern auch Menschen zu erreichen. „Die Idee ist, dass wir den Leuten eine Anleitung geben und sie das dann selber machen können – oder dass sie sich zumindest trauen, es selbst zu versuchen“, erklärt er. Das klappe aber nicht immer: „Manche knallen ihr Gerät nur auf den Tisch und gehen dann einkaufen“, berichtet Frisch, „das kommt ganz schlecht. Diese Sachen landen weit hinten auf die Prioritätenliste.“ Lieber sieht er es, wenn ihm die Kundschaft beim Reparieren über die Schulter schaut. Denn Frisch will sein Tüftlerwissen teilen: „Oft ist es ja nur eine Kleinigkeit, die man auch zu Hause machen könnte“.

Ein neues Kabel muss her

Das aber hat sich Ingeborg Wagner nicht getraut: Die 63-Jährige hat versehentlich das Kabel ihrer Brotschneidemaschine verschmort, jetzt muss ein neues her. „Das ist kompliziert“, glaubt Wagner, „da braucht man einen speziellen Schraubendreher.“ Andreas Frisch hat solche Gerätschaften griffbereit – und das Plastikgehäuse im Nu zerlegt. Die Rentnerin und der junge Mann sind sich grundsätzlich einig: „Ich hab was gegen’s Wegschmeißen“, sagt Ingeborg Wagner, „vor allem, wenn eine Sache noch gut ist.“

Weltweit gut vernetzt

Die Idee zum Repaircafe kommt aus den Niederlanden, wo die Journalistin Martine Postma 2009 das erste Reparier-Treffen organisierte: Sie wollte zeigen, wie nachhaltiges Konsumverhalten aussehen kann. Weltweit gibt es heute über 750 Repaircafés; in Deutschland florieren die Treffpunkte mittlerweile nicht mehr nur in Großstädten, vor allem in Westdeutschland wird längst auch in der Provinz repariert. Untereinander vernetzen sich die Handwerker ebenfalls, verraten sich in Foren Tricks und Kniffe, beraten sich gegenseitig beim Aufbau neuer Cafés.

 

Dass die Dienste im Repaircafé nichts kosten – Kuchen- und Geldspenden sind etwa in Aschaffenburg lediglich erwünscht – ist nur ein Grund, warum das System funktioniert. „Es ist nicht so, dass man sich die kleinen Reparaturen nicht leisten könnte“, stellt Ingeborg Wagner klar, „sowas macht nur einfach keiner mehr“. Reparaturwissen geht verloren, weil vielen Kunden ein Neukauf bequemer erscheint – und weil die wachstumsorientierte Konsumgesellschaft die Sollbruchstelle braucht.

Gegen die Wegwerfgesellschaft

Doch das will Andreas Frisch nicht akzeptieren: Sein Engagement im Repaircafé verstehe er durchaus als Protest gegen die Wegwerfgesellschaft, sagt der junge Mann. Immer wieder können er und seine Mitstreiter allerdings wenig ausrichten: „Je kleiner die Elektronik und je billiger ein Gerät ist, desto schlechter lässt es sich reparieren“.

Heute hat Andreas Frisch Glück: Keine 20 Minuten braucht er, um Ingeborg Wagners Brotschneidemaschine wieder fit zu machen. Das neue Kabel ist eingesetzt, alle Schrauben sind wieder angezogen. Die Rentnerin drückt den Stecker in die Steckdose, legt den Schalter um, die Maschine rattert los, Ingeborg Wagner klatscht in die Hände. Ein neues Gerät braucht sie erstmal nicht.

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