Für immer Domina

„Fäkalien sind für mich kein Problem“


Ein Reportage von Marija Malena


Die schwere Eingangstür aus Stahl ist von Kameras bewacht. Diese schwenken auf den Besucher und erzeugen ein mulmiges Gefühl. Beim Betätigen der Klingel stellt sich die Frage, ob diese Türe auch von innen verschlossen ist und damit alle Fluchtwege versperrt? Werden die Männer bestraft, die sich da reintrauen?

Angelina in einem ihrer Arbeitsoutfits.
Foto: privat

Als sich die Türe öffnet, empfängt mich ein enger, finsterer Eingangsbereich mit einer Treppe, die nach oben führt. Mein Herz schlägt schneller. Doch dann ertönt eine zarte, sehr feminine Stimme. „Hallo, komm hoch. Ich bin gleich soweit.“ Eine hübsche, kaum geschminkte, blonde Frau Mitte 30 steht barfuß im leichten Sommerkleidchen da. Es ist Angelina, die Inhaberin des Domina-Studios Am Moosfeld in München. „Schau dich gerne um im Studio, ich bin noch nicht ganz fertig“,lächelt sie. In der unteren Etage stehen zwei Türen offen. Das scheinen die Folterräume zu sein. An den Wänden hängen überall Spiegel.

Mitten im Raum steht ein Gerät, das wie ein Gynäkologen-Stuhl aussieht. Gasmasken, Peitschen, Handschellen und andere Instrumente hängen an der Wand. Plötzlich quietscht eine Türe. Dahinter sitzt ein Mann auf einer Matratze und blickt auf. Was hat er an? Ist er nackt? Wie sieht er aus? Da ruft Angelina: „Ich bin fertig. Du kannst hochkommen.“

Es geht in den nächsten Folterraum. Wie es aussieht hat jeder Raum eine eigene Farbe und ein eigenes Motto. Angelina setzt sich in dem roten Raum in einen der zwei roten Sessel. Rot als Farbe der „Leiden-schaft“. Das Fenster im Zimmer ist geöffnet. Ein kühler Wind weht durch den Raum. Angelina sitzt entspannt. Sie ist immer noch barfüßig und trägt das leichte Sommerkleid, unter dem sie nichts weiter anzuhaben scheint. Ihre Füße und Hände sind sehr gepflegt, ihre Haut gebräunt und glänzend. Sie hat eine zierliche, aber kurvige Figur.

„Ich bin schmerzfrei, du kannst mich alles fragen.“, beginnt sie. Angelina ist ein Künstlername. Die junge Frau hat ursprünglich viele Jahre als Standesbeamtin gearbeitet. Doch das Beamtendasein erfüllte sie irgendwann nicht mehr. Sie wollte mehr vom Leben: Abwechslung, Nervenkitzel. Nach einem Besuch auf einer Erotikmesse war für die Beamtin klar: Ich möchte eine Domina werden.

Lachend fügt sie hinzu: „Ich war als Person schon immer dominant und im sexuellen Bereich experimentierfreudig.“ Deshalb sei es für sie nie in Frage gekommen, als Prostituierte zu arbeiten. „Denn dafür muss man unterwürfig sein.“

Mittlerweile hat Angelina ein eigenes Domina-Studio, Am Moosfeld bei München, aufgebaut. Für Kunden, die unterwürfige Frauen bevorzugen, hat die blonde junge Frau immer wieder wechselnde „Sklavinnen“ zu Gast. „An ihnen können sich dominante Männer ausleben, die Sex in einer etwas anderen Umgebung bevorzugen.“

Die meisten ihrer Kunden seien sehr erfolgreiche Männer, Geschäftsmänner, die viel Verantwortung tragen, unter Druck stehen, delegieren, erklärt Angelina und ergänzt: „Die kommen häufig in der Mittagspause zu mir, setzen sich, wie wir zwei jetzt, in die roten Sessel, und besprechen ihre Wünsche.“

Laut Angelina kommen ihre Kunden, um sich fallen zu lassen, sich jemandem hinzugeben. Das Positive im Studio sei für die Männer, dass sie nicht den Druck haben, es der Frau besorgen zu müssen und nicht für deren Orgasmus zuständig seien. „Hier können sie einfach abschalten und Befehle stupide befolgen.“

Am häufigsten werden Peitschen und Schläge verlangt. Den Männern geht es weniger um die Folter an sich, sondern vielmehr darum, sich wieder selbst zu spüren. Dabei wird viel Adrenalin ausgeschüttet. „Dass dieser Schmerz für die sexuelle Erregung verantwortlich ist, wissen viele Menschen nicht“, lächelt die Domina. „Und sie wissen auch nicht, dass es sogar um Sinnlichkeit geht. Oftmals wollen die Männer mit verschiedenen Materialen wie Federn oder Wolle gestreichelt werden.“

Doch nicht nur Requisiten gehören zum Arbeitsalltag einer Domina, sondern auch Fäkalien. „Fäkalien sind für mich kein Problem. Warum sollte ich so einen Wunsch, nicht erfüllen?“ Sie empfinde dabei keinen Ekel. „Dagegen kann ich nichts mit Baby-und Tierspielen anfangen. Babyspiele sind Spiele, bei denen Männer Babykleidung anziehen und mit Fläschchen gefüttert oder von ihr erzogen werden wollen. Für Angelina sind das jedoch keine abartigen Fantasien. Es sind einfach nur Fantasien. Oft muss die Mittdreißigerin mit einem Kunden, der Frauenkleider trägt, ins Restaurant essen gehen. „Das verschafft den Männern einen Kick“, erklärt sie.

Innerlich muss ich schmunzeln. Hat Frau da überhaupt noch Respekt vor der Spezies Mann? Mit ihrer zarten Stimme erklärt die Domina: „Ich mag Männer und habe inzwischen viel mehr Verständnis für sie. Ich bin nachsichtiger, wenn jemand mal ruppig ist oder schlechte Laune hat.“ Nach ihrer Ansicht haben es Männer heutzutage nicht leicht. Sie müssten tough als Geschäftsmann sein, daheim Macho, Softie und zugleich Vater. „Das ist keine leichte Aufgabe.“ Für Angelina ist klar, dass sie diesen Beruf bis ans Lebensende ausüben wird. „Als Domina habe ich kein Verfallsdatum. Ich werde immer besser und erfahrener mit den Jahren.“

Wichtig ist der jungen Frau, dass das Thema positiver in die Öffentlichkeit gelangt und ihre Kunden nicht verurteilt werden. „Dann hätte ich den Beruf viel früher ausgeübt und nicht so viel Angst vor der Meinung der anderen gehabt.“ Vor einigen Jahren hat sie Ehen geschlossen. Heute rettet sie Ehen. Denn nach jeder Session gehen die Männer erleichtert und ohne Druck in ihr Familienleben zurück. „ Das bestätigen mir meine Kunden.“

Wie gut, dass es Menschen wie Angelina gibt, denke ich, während ich das Studio verlasse und sich die schwere Eingangstür hinter mir schließt.