Renn, Baby! Renn.

Beobachtungen aus dem Kinderalltag


Eine Glosse von Margit Pabst-Lesem


Auf dem Münchner Jogging Highway entlang der Isar: Männer und Frauen, das Handy im Ohr, den Puls- oder Kilometermesser am Arm, den Kinderwagen fest an der Hand. So rennen sich Väter und Mütter, über den geländegängigen Kinderjeep gebeugt, fit und gesund. Nach dem morgendlichen Frischluft tanken heißt es, raus aus der Hose mit den drei Streifen, hinein in das Job-Outfit und los zur Arbeit. Vorher das Baby oder Kleinkind im Schweinsgalopp zur Kita gebracht, dabei den SUV (Sport Utility Vehicle) im urban üblichen absoluten Halteverbot geparkt; das alles mit viel Speed.
Wie ein Kinderwagenhersteller in seiner Werbung behauptet, sollen die Babys von heute die Rennfahrer von morgen werden. Wollen sie das? Eine Befragung hierzu war aufgrund noch nicht entwickelter Sprachfähigkeit leider nicht möglich.

Eins, zwei, drei im Sauseschritt laufen heut' die Babys mit

Die Konsum- und Leistungsgesellschaft hat auch die Kinderwelt längst entdeckt und mit Gebrüll erobert. Die amerikanische Markenjeans für Babys, die maximal drei Wochen passt, ist genauso teuer wie die für Erwachsene und gilt als Bestseller. Der Kinderwagen - ein Statussymbol? Und ob! Was für die Limousine in der Garage gilt, gilt auch für den ersten fahrbaren Untersatz für den Nachwuchs. Ob getuned, tiefer gelegt oder mit Sonderausstattung: Die Kinder-Wagen-Marke sagt alles, verrät viel über die PS und die Geldbeutel derer, die sie schieben und besagt so manches über die mögliche Zukunft derer, die darin liegen.

Schneller, höher, weiter - von Kindesbeinen an

Aus den Rutschautos namens Bobby Car sind mittlerweile Minis, Porsche, Mercedes oder BMWs geworden und Englischsprachige Kindergärten - möglichst mit Chinesisch als Zweitsprache - stehen hoch im Kurs. Musizieren, bühnenreif tanzen und singen à la DSDS; eine Sportart mit Verdacht auf olympische Erfolge ausüben und so aussehen wie die Topmodels dieser Welt: Die Erwartungen an die nächste Generation wirken hoch und das Tempo dafür ist rasant. Die Kindheit ist kurz geworden. Dabei kennen kleine Kinder weder Termine noch (Zeit-)druck, sondern haben stattdessen alle Zeit der Welt. Eile, Stress und Hektik sind ihnen fremd, ein paradiesischer Zustand, um den wir sie eigentlich beneiden und von dem wir Erwachsenen viel lernen können; Burn-out-Prophylaxe inklusive.
Rettung in Form von Entschleunigung scheint in Sicht: „Vintage“ heißt aktuell das neue Zauberwort und vielleicht kommt mit dieser Welle auch das „Es war einmal…“ wieder, das märchenhaft ruhige, beschauliche, zauberhafte Kinderzimmer, in dem die Uhren anders, entschleunigt, langsamer gehen als in der restlichen Welt: Alles zu seiner Zeit.