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„80 Prozent der Ladevorgänge von Elektroautos finden zuhause statt“
Zukünftige Welten

„80 Prozent der Ladevorgänge von Elektroautos finden zuhause statt“

Vernetzte Mobilität: Überall elektrisch laden – eine App macht’s möglich

Interview von Juliane Weinig

Expertenmeinungen zufolge wird die Mehrzahl aller Elektroautos im privaten Bereich geladen. Wie aber steht es um private Ladestationen? Welche Geschäftsfelder eröffnen in diesem Bereich neue Welten? Ein Münchner Start-Up macht Firmen und Unternehmen den Einstieg in die CO₂-neutrale Mobilität schmackhaft. Mit einer Komplettlösung, die elektrisches Laden für Dienstwägen einfach und übersichtlich macht: zuhause, am Firmenstandort und im öffentlichen Raum. easy electric eben. easy electric wie eeMobility. So heißt das Unternehmen, das Klaus Huber gegründet hat. Heute ist er Geschäftsführer des Start-Ups. Im Interview spricht Klaus Huber über neue Lade-Welten. Und darüber, warum das Auto in den Städten zunehmend irrelevanter wird und sich das Elektroauto als Teil eines vernetzten Energiesystems durchsetzen wird.

Porträt der Gründer Klaus Huber und Robin Geisler von eeMobility

Klaus Huber (rechts) und Robin Geisler (links), die beiden Gründer des Münchner Start-Ups eeMobility. Foto: eeMobility GmbH

Wie hat sich Ihr Autofahrer-Leben verändert, seit Sie ein Elektroauto fahren?

Klaus Huber: Man fühlt sich großartig, fast erhaben, wenn man lautlos dahingleitet. Außerdem ist das Fahren und Bremsen mit einem einzigen Pedal wesentlich entspannter als mit dreien. An die Tankstelle muss ich auch nicht mehr. Im Alltag lade ich mein Auto am Arbeitsplatz, bis meine Ladestation zuhause errichtet ist.

Sie haben Theaterwissenschaften, Politik und Germanistik studiert und sind Gründer eines Start-Ups im Bereich Elektromobilität. Wie kam es dazu?

Nach meinem Magisterstudium habe ich in einer Strategieberatung gearbeitet und dort viel Business Development gemacht. Neue Geschäfte zu entwickeln, hat mich schon immer gereizt. Über mehrere Stationen habe ich schließlich im Januar 2015 zusammen mit Robin Geisler, einem früheren Arbeitskollegen, eeMobility gegründet. Meine Hauptmotivation bei der Gründung lag darin, erneuerbare Energien und Mobilität zusammenzubringen. Sie bestand weniger in der Tatsache, mein eigener Chef zu sein.

Wie lief der Gründungsprozess ab?

Zuerst haben wir Firmen auf unsere Idee angesprochen, aber bald festgestellt, dass wir die Realisierung selbst in die Hand nehmen müssen. Auch, weil wir nur auf diese Weise Tempo und Richtung vorgeben konnten. Unabhängig voneinander hatten Robin und ich uns schon länger mit dem Thema Elektromobilität auseinandergesetzt. So konnten wir uns im Juli 2014 recht schnell auf ein Dienstleistungsmodell für Gewerbekunden einigen. Nach der Geburt unserer Töchter im Spätsommer – wir wurden zufällig zur gleichen Zeit Vater – haben wir dann ab September weiter intensiv recherchiert und zu Jahresbeginn, im Januar 2015, unser Unternehmen gegründet. Mittlerweile beschäftigen wir 26 Festangestellte und sieben Werkstudenten.

Mit Ihrer App haben Sie eine Komplettlösung für Firmenkunden entwickelt. Wie funktioniert dieses Programm?

Unsere App bietet Ladelösungen für Dienstwagenflotten, die auch privat genutzt werden. Dem Mitarbeiter werden auf einen Blick alle verfügbaren Ladestellen angezeigt: zuhause, an Firmenstandorten sowie im öffentlichen Raum. Und das weltweit! Alle Ladevorgänge können über diese App einfach gestartet werden. Mit einer Statistik können die Mitarbeiter zudem ihre persönliche CO₂-Einsparung tracken. Auch werden die geladenen Energiemengen und der Ladestatus angezeigt. Der Kunde bekommt dann eine Monatsabrechnung mit einem festen Betrag, der sich auf das Fahrzeug bezieht, also Kilometer pro Jahr und Laufzeit. Zum Vertragsende wird, wie beim Leasingvertrag, eine Mehr- oder Minderkilometerabrechnung erstellt.

Gibt es andere Anbieter auf dem Markt, die eine solche Ladelösung realisiert haben?

Nein. Derzeit sind wir der einzige Anbieter, der diesen Komplettladeansatz realisiert hat. Wir haben damit einen Entwicklungsvorsprung von ein bis zwei Jahren. Mit unserer Komplettlösung bieten wir allen Flottenmanagern die „Tankkarte“ fürs Elektroauto. Der Mitarbeiter kann einfach und überall tanken ‒ und das mit garantiert CO₂-freiem, hochwertigem Ökostrom! Wir kümmern uns nicht nur um die Abrechnung, sondern auch um das gesamte Projektmanagement, die Installation und Instandhaltung der Heimladestation.

Hier geht’s zum Video von eeMobility GmbH:

Welche Zielgruppen wollen Sie mit dieser App erreichen?

Wir sprechen Firmen mit großem Fuhrpark an. Zwar müssen wir erst einmal viel Überzeugungsarbeit leisten, aber dann sind es viele Fahrzeuge und dementsprechend viele potentielle User. Mit Siemens beispielsweise haben wir in Deutschland einen großen Kunden und 5000 potentiell elektrifizierbare Fahrzeuge. De facto sind es im Moment mehrere hundert Elektroautos. Weitere wichtige Kunden sind Wacker Chemie, ZF Friedrichshafen, R+V Allgemeine Versicherungen und der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB).

An welchen Stellen braucht Ihrer Meinung nach die Ladeinfrastruktur in Deutschland Förderung?

Ich würde das Laden auf dem eigenen Stellplatz mit gezielten Förderprogrammen unterstützen. Warum? Weil 80 Prozent der Ladevorgänge daheim stattfinden und dort auch langfristig am effizientesten gestaltbar sind. Im städtischen Bereich jedoch, wo weniger Menschen einen eigenen Stellplatz oder eine Garage besitzen und das Auto zunehmend irrelevanter wird, würde ich mir eine Förderung der öffentlichen Ladestationen wünschen.

Ist die Installation einer Ladestation auch für Stellplätze in Mehrparteienhäusern geeignet? Wie lange dauert der Ladevorgang zuhause?

Prinzipiell ist die Installation an fast jedem Stellplatz darstellbar. Mittels einer Wallbox mit zum Beispiel 11 Kilowatt lade ich meinen i3 mit dreiphasigem Wechselstrom innerhalb von drei Stunden komplett auf. Zum Vergleich: Das Laden an einer normalen Steckdose, was ich nicht empfehlen würde, dauert circa acht bis zwölf Stunden. Aber es stimmt, dass viele Menschen noch nicht überzeugt sind, dass Sicherheit, Komfort und Abrechenbarkeit passen. Oft fehlt es an Ladestationen mit Lastmanagement oder viele der derzeit verkauften Elektroautos verfügen gar nicht über die Möglichkeit, mit einem dreiphasigen Wechselstrom, also Drehstrom, aufgeladen zu werden. Der Gesetzgeber hat inzwischen die Initiative ergriffen. In einigen Bundesländern sollen Stellplätze von Neubauten bereits mit einem kompletten Ladeanschluss ausgestattet werden.

Laden eines Elektroautos mittels einer Wallbox in der Garage

Einfach und bequem: mit der Wallbox in der heimischen Garage laden. Foto: eeMobility GmbH

Welche Unterstützung wünschen Sie sich von der Politik?

Ich wäre für stärker emissionsbezogene Abgaben, nicht nur wegen der Stickstoffdioxide, des Feinstaubs und des CO₂, sondern auch wegen des Lärms. Aus diesen Komponenten würde ich eine Abgabe generieren, damit große und laute Autos teurer als kleine wären und die Elektroautos insgesamt günstiger werden würden. Mit der Autolobby und der Bundesregierung ist das aber derzeit nicht durchzusetzen.

Wie verkaufen Sie Elektromobilität Ihren Kritikern?

Dass Elektromobilität sich durchsetzen wird, ist klar! Warum? Weil wir uns aufgrund unserer vielfältigen Mobilitätserfordernisse und -wünsche einfach nichts anderes mehr leisten können. Es ist schlicht unmöglich, weiter auf den Verbrennungsmotor beim Individualverkehr zu setzen und gleichzeitig die CO₂-Emissionen zur Rettung des Klimas drastisch zu reduzieren. Ich glaube nicht, dass wir die Wünsche nach uneingeschränkter Mobilität eindämmen können ‒ weder mit Verboten noch mit Verzicht. Aber wir müssen Mobilität qualitativ verbessern. Und Elektromobilität hat viele Vorteile. Sie ist jetzt schon hocheffizient und wird noch besser werden. Vor allem dann, wenn genauso viel Geld in die Entwicklung investiert werden würde, wie es mehr als 30 Jahre lang mit dem Verbrennungsmotor geschehen ist. Das sind Summen, die unvorstellbar hoch sind.

Und immer mehr Menschen gerade in stark wachsenden Großstädten wie München wünschen sich saubere Luft und weniger Feinstaubbelastung.

Genau. Und das ist der nächste Punkt. Elektromobilität wird sich durchsetzen, weil sie von der Einstellung der Menschen gewollt ist. Denn du möchtest in der Stadt einfach weniger Lärm, Gestank und Feinstaubbelastung haben, aber trotzdem mobil sein. Mit Elektromobilität werden wir zukunftsfähiger sein, auch weil das Elektroauto Teil eines vernetzten Energiesystems sein wird. Und mit dieser Vernetzung werden Autos besser organisierbar sein – mit der Folge, dass wir zukünftig weniger Autos benötigen werden.

Rotes Plakat Ich wähle saubere Luft von der Demonstration Mir ham's satt am 6. Oktober 2018 in München

Plakat, gesehen auf der Demonstration „Mir ham‘s satt“ am 6. Oktober 2018 in München. Foto: Juliane Weinig

Header-Bild: eeMobility GmbH

Elektromobilität in Deutschland: Zahlen und Hintergründe

  • Laut Kraftfahrtbundesamt (KBA) gibt es aktuell (Stand September 2018) knapp 54 000 Elektroautos sowie etwas mehr als 44 000 Plug-in-Hybride bei rund 46 Millionen Pkw.
  • Die von der Bundesregierung für 2020 angepeilten eine Million Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen werden nicht erreicht. Man geht derzeit davon aus, dass dies bis 2022 der Fall sein könnte.
  • Von deutschen Herstellern sind derzeit neun Modelle mit reinem Elektroantrieb auf dem Markt (Stand Februar 2018).
  • „Tanken“ können die Stromer an derzeit 13 500 öffentlichen und teilöffentlichen Ladepunkten an ca. 6700 Ladesäulen, davon sind 13 Prozent Schnellladesäulen (Stand September 2018; Quelle: BDEW). Hinzu kommen weitere 70 000 private und privatwirtschaftliche Ladepunkte.
  • Ziel der Großen Koalition ist es, bis 2020 die Anzahl der öffentlichen Ladepunkte flächendeckend auf 100 000 zu erhöhen, mindestens ein Drittel davon sollen Schnellladesäulen sein.
  • Das „Regierungsprogramm Elektromobilität“ sieht vor, dass mindestens 20 Prozent des Fuhrparks des Bundes künftig aus Elektrofahrzeugen bestehen sollen. Erreicht hat dieses Ziel bereits das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie mit 33,33 Prozent (Stand Februar 2018; Quelle: Bundesministerium für Wirtschaft und Energie).
  • „E-Roaming“ heißt das gegenseitige Nutzen von Ladestationen. Bei diesen Kooperationen zwischen Ladeinfrastruktur- und Energieanbietern sowie Autoherstellern nutzen Kunden sowohl die Ladeinfrastruktur des eigenen Netzwerks als auch die der Netzwerk-Partner.
  • Durch diese Vernetzung auf sogenannten Roaming-Plattformen können Daten sicher ausgetauscht und Ladenetzwerke erweitert werden. Der Kunde profitiert neben dem betreiberunabhängigen Laden auch von sogenannten digitalen Mehrwertservices. So kann er Ladepunkte nicht nur leicht auffinden, sondern auch im Vorfeld reservieren.
  • Eine Herausforderung stellt die Netzintegration dar. „Die Netzintegration der Elektromobilität ist eines der zentralen Ziele im Bereich Mobilität in dieser Legislaturperiode”, heißt es von Seiten der Bundesregierung. Elektrofahrzeuge und deren Ladeinfrastruktur können ein wichtiger Baustein der Energiewende werden, wenn sie effizient und benutzerfreundlich in intelligente Strom- und Verteilnetze eingebunden werden.

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