Dossier Begegnung

Die Viecher müssen an die frische Luft

Artgerechte Haltung

Ein Interview von Marie Barbarics

Über Tiere, Menschen und Bräuche hat Marie Barbarics mit Irmgard Hurnhaus gesprochen. Zusammen mit ihrer Familie hat die engagierte Landwirtin ihren Betrieb in Rott am Lech auf Bio umgestellt. Mit Leidenschaft setzt sie sich für eine artgerechte Haltung der Tiere sowie für die Erhaltung des Grünlandes in Bayern ein.

Frau Hurnhaus, welchen Stellenwert hat das Essen in Ihrer Familie?

Für mich bedeutet Essen zu genießen und die Gemeinschaft zu leben. Bei uns in der Familie schauen wir, dass wir mindestens einmal am Tag zusammen essen. Es ist bei uns wie ein Ritual. Wenn meine Söhne nach Hause kommen, strecken sie erst mal den Kopf in die Küche und fragen: Was gibt’s heute Abend, Mama?‘. Beim Essen öffnen sich die Menschen und man erfährt besondere Dinge voneinander. Ich seh schon an der Art wie meine Männer essen wie es ihnen geht.

Die Tradition des gemeinsamen Essens hat vor allem in Süd-Ost Europa immer noch einen hohen Stellenwert. Glauben Sie dass uns das in Deutschland abhanden gekommen ist?

Zum Teil schon. Wenn ich die Leute aus der Stadt anschaue, dann sehe ich immer nur Hektik und Stress. Ihr tut mir so leid ihr Städter, ihr habt den ganzen Tag so viel zu tun und so viel Stress, da bleibt einfach keine Zeit mehr für ein gemeinsames Essen. Aber für mich gehört das Essen zur Lebensqualität.

Sprechen Sie hier auch die Qualität des Essens an?

Ja klar! Man schmeckt die Qualität. Alles schmeckt anders. Jeder Käse aus den unterschiedlichen Molkereien und von unterschiedlichen Höfen schmeckt anders. Ist ja klar, da auf jeder Wiese anderes Gras wächst. Auch das Fleisch schmeckt von Tier zu Tier anders.

Die Weihnachtsgans ist ein beliebtes Weihnachts-Festmahl in Deutschland. Wie viele Euro sollten Gänseliebhaber für eine Qualitätsgans an Weihnachten hinlegen?

Beim Geflügel hat die Industrialisierung der Tiere ja begonnen. Es gibt polnische Geflügelfabriken in denen furchtbare Zustände herrschen. Die Tiere dort sind krank, verletzt, werden auf engstem Raum zusammengepfercht und zwangsgefüttert. Diese Art der Haltung ist zwar in Deutschland verboten, der Handel ist es aber leider nicht.

Das heißt?

Aus Polen bekommt man eine Gans also schon ab 1,79 Euro pro Kilo im Discounter. Eine Gans aus artgerechter Haltung dagegen kostet 3,30 Euro pro Kilo und eine Bio-Gans 6,30 Euro pro Kilo.

Engagieren Sie sich deshalb für die Organisation ,Artgerechtes München‘?

Ja, die Erhaltung des Grünlandes und eine artgerechte Tierhaltung sind mir sehr wichtig, für beides setzt sich die Organisation ein.

Was bedeutet artgerechte Haltung?

Dass die Viecher raus aufs Grünland dürfen. Es bedeutet dass sie Zeit bekommen zu wachsen. Sie werden nicht mit Spezial-Futter gemästet, damit sie schneller wachsen und viel Milch oder Fleisch produzieren. Um ein Beispiel zu nennen, eine Kuh aus artgerechter Haltung bekommt circa zwölf Kälber in ihrem Leben. Die Leistung der Milchproduktion sinkt nach dem vierten bis fünften Kalb ab. In herkömmlichen Betrieben würde sich das gar nicht mehr rentieren und die Kuh wäre nach dem zweiten Kalb bereits unrentabel und wird geschlachtet.

Einfacher: Welche Bedeutung hat das Grünland für die artgerechte Tierhaltung?

Das Grünland ist ja auch Weideland. Die Tiere sollen auch mal raus kommen und nicht nur im Stall bleiben. Aber es geht auch um die Überschwemmungen, die immer schlimmer werden. Das Gras würde das Wasser aufhalten. Es ist nachgewiesen, dass bei einer bestimmten Höhe des Grases das Wasser extrem langsam über die Wiesen abfließt. Aber wenn man alles bebaut und ebnet, dann ist es doch ganz klar, dass das Wasser irgendwann kommt.

Es wird ja mittlerweile viel Mais angebaut, finden Sie das gut?

Mais? Der wird noch nicht mal für die Kühe verwendet, sondern für die Biogas Anlagen. Biogasanlage – allein schon der Name gehört verboten, das passt gar nicht zusammen.

Bei Ihnen leben die Kühe also auf Weideland und werden älter. Ihre Produkte verkaufen Sie ab Frühjahr Bio-zertifiziert. Macht sich diese Umstellung bemerkbar?

Die Umstellung wird sich allein schon bei den Milchpreisen bemerkbar machen. Für einen Liter Milch aus konventioneller Produktion bekommt ein Landwirt momentan circa 30 Cent. Für einen Liter Bio-Milch gibt es zwischen achtundvierzig und neunundvierzig Cent.

Kaufen Sie manchmal beim Discounter ein?

Nein, bei uns im Dorf gibt es noch einen Bäcker, einen Metzger und einen kleinen EDEKA. Einmal wollten sie einen Discounter hinstellen, aber Gott sei Dank gab es eine Bürgerinitiative dagegen.

Was ist gegen Discounter einzuwenden?

Die großen Discounter zerstören kleine Betriebe wie Molkereien, Bäckereien und Metzger. Dadurch gehen die Vielfalt und die Qualität verloren. Wenn man zu einem Metzger geht, dann gibt es immer bestimmte Produkt, die besonders gut sind, sein Markenzeichen sozusagen. Auch die Bäcker haben immer ihre Spezialitäten, für die man extra zu dem einen Bäcker geht. Beim Discounter schmeckt alles gleich, da gibt es keine Vielfalt oder Qualität mehr.

Trotzdem kaufen viele Menschen beim Discounter ein. Was muss sich ändern?Die Leute müssen wieder lernen, was Qualität bedeutet und wie man mit Essen umgeht. Essen hat einen Wert. Ich denke, die Leute in Deutschland sollten sich bewusst werden, dass gutes Essen seinen Preis hat. Die Leute essen das ganze Jahr über so viel Dreck, nur um Geld für eine Woche Urlaub zu sparen; als ob man sich in einer Woche erholen kann. Da ist gutes Essen viel erholsamer.

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