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Neonazis: Es war ein Schlapphut in Thule

Der bayerische Verfassungsschutz war aktiv am Aufbau der rechtsextremen Online-Szene in den neunziger Jahren beteiligt. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung soll der Nachrichtendienst einen Mitarbeiter in die Szene eingeschleust haben, der mit finanzieller Unterstützung des Verfassungsschutzes am Aufbau des sogenannten Thule-Netzes mitwirkte. Das war ein bundesweites Mailbox-System, mit dem vor dem Durchbruch des Internets Neonazis Informationen austauschten, Propaganda verbreiteten und Veranstaltungen wie Aufmärsche planten.

„Das ist doch unsere Aufgabe“, hatte Eckhart Werthebach, der damalige Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, bereits 1994 auf Recherchen von Journalisten geantwortet, die ihn mit genau diesem Vorwurf konfrontiert hatten. Doch die Medien wollten darüber nicht berichten. Gabriele Hooffacker und Peter Lokk hatten seit 1990 zum rechtsextremen Thulenetz recherchiert und publiziert.

Auch über den NSU hätte man informiert sein können, wenn man die Informationen nur ausgewertet hätte. Ein Journalist, der damals mit dabei war, hatte beobachtet: „Ab dem Wahlsieg der rot-grünen Koalition 1998 hieß es im Thule-Netz: Jetzt müssen wir in den Untergrund.“ (vgl. auch Die Welt, 13.10.1998.

Der Spott der Online-Szene ist den Ermittlern sicher:
„Es war ein Schlapphut in Thule/
so braun in seiner Farb/
der aus der Staatsschatulle/
den Nazis ein Netzwerk gab 
twitterte „Gnu1742“ heute morgen.

Mein Fazit: Wir wussten damals eine ganze Menge. Es war nur nicht so einfach, dafür Öffentlichkeit zu herzustellen. Jetzt wissen wir auch, warum.

SZ zum Thulenetz
Foebud, Bielfeld zu Werthebach u. a.

Siehe dazu auch:
Die ersten Veröffentlichungen zum Thulenetz
Weitere Recherchen zur rechtsextremen Online-Strategie
„Waren wir alle blind?“ Streitschrift von Patrick Gensing